65. 5.12.2013
Heute beginnt die Safari, zumindest fahren wir zu einem Camp und übernachten dort, so richtig geht es erst am nächsten Tag los. Da wir erst um drei Uhr nachmittags abgeholt werden, haben wir genug Zeit aber nichts, womit wir sie verbringen könnten. Ich beschließe, die Bustickets für die Weiterfahrt nach Dodoma am Montag zu kaufen. Sobald ein Weißer auf einem Busbahnhof ankommt, wird er von zwei bis fünf "touts" bedrängt. Manche sind wirklich hilfreich, nennen faire Preise und verweisen im Zweifelsfall auf die Konkurrenz, andere sind nur penetrant und aggressiv. Heute gerate ich an letzteren Typ. Die wahrscheinlich auf Komission arbeitenden Nervensägen schleppen mich zu einem Büro, dass mich für einen um 20% erhöhten Preis in einem engen Fünferreihen Bus unterbringen will, dann zu einem, das 30% Aufschlag fordert. Auf Nachfrage führen sie mich zähneknirschend zu einem empfohlenen Unternehmen, dass ihnen keine Komission zahlt und faire Preise hat. Das Trinkgeld, der letzte Griff in die Trickkiste der touts wird mit mit unbestimmtem Blick in die Ferne ignoriert. Ein kurzer Abstecher zum Supermarkt und ein bisschen Wäsche waschen und schon werden wir "abgeholt". Das heißt, jemand bringt uns zum Busbahnhof und dort zum richtigen Fahrzeug, gibt dem Fahrer ein paar Informationen und geht. Der Fahrer scheint talentiert im Überhören zu sein und fährt mit uns bis zur Endstation, um dort mit Bestürzen festzustellen, dass wir bereits eine Dreiviertelstunde früher hätten abgesetzt werden müssen. Aber hakuna matata, kein Problem, Afrika halt. Rechtzeitig zum Abendessen kommen wir im Camp an, lernen unseren Driver, Koch und zwei Begleiter kennen, einen 33-jährigen Mediziner aus Sydney und seine Freundin, eine 25-jährige Brasilianerin, die dort studiert. Im unheilvollen Dauerregen gehe ich bereits um halb zehn schlafen.
66. 6.12.2012
Es regnet immer noch! Aber das Frühstück bessert die Laune, unser Koch ist ein Genie. Nachdem die Finanzen geklärt sind fahren wir los. Die Fahrt dauert über vier Stunden, wobei wir tolle Ausblicke und ein paar Vorboten auf den Tierreichtum der Serengeti erspähen, einen Hund überfahren, zu Mittag essen und einmal die Kontrolle über den Wagen verlieren. Angekommen setzen wir unseren Koch ab und gehen auf den ersten "game drive". Das Wort kommt wahrscheinlich aus der Zeit der game reserves, die Vorgänger der Nationalparks, die die Kolonialherren für ihre Jagdausflüge nutzten. Da es eigentlich verdammt sinn- und nutzlos ist, einen Elefanten oder Löwen zu jagen, war das Ganze ein Game für reiche Weiße. Wo wir schon bei Etymologie sind: Serengeti kommt aus dem Masai und bedeutet "weite Ebene". Diese Einstiegsanekdote für jeden Vortrag über die Serengeti ist absolut zutreffend. In alle Himmelsrichtungen sieht man nichts außer ein paar Bäumen, Steinbrocken und dem Horizont. Kann man sich in Deutschland gar nicht vorstellen.
Wer die Natur gerne für sich hat, ist hier trotzdem falsch. Um jedes interessante Tier streunen Rudel wilder Landrover, von denen die Serengeti eine der größten Populationen weltweit beherbergt. In einer Symbiose kommen darin nicht nur Asiaten mit riesigen Kameras, sondern auch Engländer und Deutsche vor. Letztere machen ihrem zweifelhaften Ruf alle Ehre und vergessen mit Arbeit und Alltag auch wie man sich anzieht. Doch die übrige Fauna enttäuscht nicht, innerhalb von drei Stunden sehen wir drei der Big Five und einen halben Zoo anderer Tiere. Aber dazu mehr morgen, wenn ein halbtägiger game drive ansteht.
Das Abendessen schmeckt, wie zu erwarten, hervorragend und kurz danach gehen wir bereits schlafen, da wir am nächsten Tag den Sonnenaufgang während der Fahrt erleben wollen. Viel interessanter wäre es natürlich, nachts unterwegs zu sein, wenn die meisten Fleischfresser aktiv sind. Aber obwohl eine Safari immer ein teurer Spaß ist, kann man sein Geld in verschiedenen Abstufungen loswerden, deren Krönung ein Permit für einen night game drive für 3000$/Auto ist.
67. 7.12.2013
Zum Frühstück gibt es nur Kaffee und Biskuits, dafür Brunch bei der Rückkehr vom strapaziösen Sitzen im Geländewagen. Wahrscheinlich ist es eines der Ammenmärchen, die jedem Touri erzählt werden, aber es macht Freude, daran zu glauben: Laut Guide haben wir in ein paar Stunden mehr Glück als andere Safaris auf Mehrtagestrips. Als erstes Auto sehen wir einen Geparden, leider in einer Entfernung, die gerade mal das Beweisfoto ermöglicht. Aber man kann sich glücklich schätzen die Stealth Taktiker unter den Raubtieren überhaupt zu erspähen. Sie sind absolute Einzelgänger, nicht territorialgebunden und ultraschnelle Sprinter ( >100km/h).
Kurz darauf entdecken wir, ebenfalls als erstes, einen Leoparden, keine fünf Meter vom Weg entfernt. Er macht zwar wenig, eigentlich gar nichts, aber trotzdem sind alle begeistert. Desweiteren sehen wir Flusspferde, Löwen und unzählige Antilopen. Mehr als zufrieden kommen wir zurück zum Camp, kriegen Grillfleisch, Pommes, Quiche und Salat mitten im Busch und fahren um zwei Uhr nachmittags ab, zurück zum Ngorongoro Krater. Eine kurze Pause legen wir am Parkgate ein, wo sich eine Gruppe Masai demonstrativ fototauglich vor jeden Wagen stellt, um für die leichtfertig geschossenen Bilder Geld zu verlangen. Der Mischmasch aus Jeans und traditionellen Umhängen in den Städten hat mich in der Hinsicht abgestumpft, die bunte Truppe wirkt auf mich eher normal denn exotisch. Am Camp werden wir von einem Elefanten empfangen, der in aller Seelenruhe grast und daraufhin zum leckenden Wassertank schlendert und ein paar hundert Liter trinkt. Ich stehe in zwanzig Meter Entfernung und starre ihn eine halbe Stunde an, während ich mir versuche klarzumachen, dass das hier ein wildes Tier ist und es keinen Zaun gibt. Seine Wildheit stellt der Elefant unter Beweis, wenn man ihm zu Nahe kommt. Erst werden die Ohren aufgestellt, was ihn noch größer wirken lässt (er ist auch so schon echt bedrohlich riesig), dann senkt er den Kopf und dann sollte man bereits in sicherem Abstand sein. Eine Standpauke vom Personal gibt es für die unvorsichtige Touristin sowieso, weil attackierende Elefanten Hindernisse aus dem Weg räumen und das Hindernis in diesem Fall ein Auto gewesen wäre. Abendprogramm as usual, tolles Essen und frühes Zubettgehen.
68. 8.12.2013
Nach einem wunderschönen Frühstück mit markantem Pickel auf der Nase - Milchpulver alle - fahren wir in den Ngorongoro Krater, der die Caldera eines Vulkans darstellt, der vor seinem Ausbruch noch höher als der Kilimandscharo war. Durch die Kessellage und das massig vorhandene Wasser gleicht der Krater tatsächlich einem Zoo. Hier eine Gruppe Zebras, dort eine Riesenherde Gnus und da hinten ein Rudel Löwen. Und die Big Five beschließen wir mit einer Nashornsichtung, wenn auch aus großer Entfernung, ebenfalls. Nur noch 25 Exemplare leben im Park und die sind allesamt sehr scheu, weil sie lange Zeit und fast bis zur Ausrottung gejagt wurden. Um halb zwölf verlassen wir den Krater, haben ein paar letzte Bilder am Viewpoint und fahren schließlich zurück zum Gate, von wo es nur noch 14km zum ersten größeren Ort sind. Hier endet die Safari für uns, während Ross und Camilla noch einen Tag im Lake Manyara Nationalpark dranhängen. Neben Alex und Laramie sind die beiden unsere liebsten Reisebekanntschaften geworden und wie beim letzten Mal gibt es auch hier die Chance auf ein Wiedersehen, nämlich auf Zanzibar. Um halb fünf kommen wir endgültig im menschengemachten Teil Tansanias an, mit einer Ahnung davon, wie der ganze Kontinent noch vor ein paar hundert Jahren ausgesehen haben muss und wie gigantisch der Einfluss des Menschen auf das Ökosystem ist. Während man in Europa die Natur schon vor langer Zeit unterworfen hat, versucht man hier noch eine Art Koexistenz zu erhalten. Wenn man die riesigen Ebenen Afrikas erblickt, möchte man gerne glauben, dass das möglich ist.
PS: Eine Safari sieht auf Fotos üblicherweise besser aus als in der Realität, einen hohen optischen Zoom vorausgesetzt. Ich war (leider) nicht wirklich direkt bei den Löwen, als sie den Büffel gerissen haben und der Leopard auf dem Baum war auch mindestens 70 Meter entfernt. Aber neidisch sein dürft ihr trotzdem.