61. 30.11.2013
Das war er also, der letzte Tag von über 60, die ich in Kenia verbracht habe. Der Abschluss hätte besser nicht sein können, nachdem R. einen Freund und Leiter irgendeines Touristenresorts am Strand von Kilifi angerufen hatte, konnten wir dort den riesigen Pool benutzen und im indischen Ozean schnorcheln. Das Wasser dort ist 27º warm, in Ufernähe über 30, türkis und das Meer gleicht tatsächlich einem Aquarium (vgl. Katha). Selbst beim Schnorcheln habe ich locker 10 Fischarten, diverse riesige Seeigel und einige Korallen gesehen und bin außerdem mitten in einem riesigen Sardellenschwarm geschwommen. Tauchen muss hier der Wahnsinn sein, ich beneide Katha. Nachdem wir uns an dem Mittagsbuffet gütlich getan haben, fahren wir mit dem Matatu zurück nach Mombasa, wo wir ein letztes Mal übernachten, bevor wir morgen um sieben nach Moshi am Kilimandscharo in Tansania aufbrechen.
Dem Anlass entsprechend noch ein paar letzte Worte zu Kenia:
Was die zwei Monate auf jeden Fall gezeigt haben ist, dass Afrika kein Land ist, auch wenn es von uns gerne als eine homogene Masse aus Armut, failed democracies und Naturschönheiten gesehen wird. Allein Kenia ist heterogener als Mitteleuropa (ethnologisch, nicht kulturell!) und dass die Schwarzen für uns gleich aussehen, macht sie noch lange nicht ähnlicher. Tatsächlich gibt es das aus den kläglichen Überresten seiner Konflikte langsam auferstehende Somalia, das weitläufige, mit Touristenattraktionen gesegnete Tansania, dem seine kommunistische Phase noch nachhängt, den Kongo, dessen Reichtum ihn zu einem der unterentwickeltsten Länder der Welt gemacht hat, weil seit Jahrzehnten Clans grausam um die Bodenschätze kämpfen. Und das Herz Ostafrikas, das internationale, vergleichsweise fortgeschrittene Kenia. Und das war nur ein Bruchteil des Kontinents. Die Länder selbst kann man dann weiter gliedern nach Topographie (in Kenia: Wüste, Hochland, Victoria-Becken, Küste) oder Stammesdomänen (Kenia: über 40 Stämme). Womit wir bei einem großen Problem der meisten Länder hier angekommen sind, dass sich exemplarisch in Kenia deutlich zeigt. Die Identität wird nicht durch Staats-, sondern Stammeszugehörigkeit definiert. Man ist zuerst Kalenjin/Turkana/Masai... und nicht Kenianer. Problematisch wird das, wenn es auf eine labile Demokratie trifft. Parteien vertreten keine Ideologien, sondern - na klar - Stämme. Und man wählt nicht rechts, links, für oder gegen etwas, sondern seinen Stamm. Entsprechend haben die größten Stämme die meiste Macht, Interessen von Minderheiten werden gerne übersehen und die Eliten dienen weniger dem Staat als der Staat den Eliten (ein kenianischer Abgeordneter verdient das 1,5fache eines deutschen, bei Lebenshaltungskosten weit unter 50%. Von der Korruption ganz zu schweigen. Die freie Presse ist zwar hervorragend, erreicht aber durch ein hochklassiges Englisch nur die Höhergebildeten. Man traut es sich kaum zu sagen, aber Kenia täte eine BILD Zeitung ganz gut. Jedenfalls muss ich den Pessimisten in diesem Punkt Recht geben: Ohne strukturelle Veränderungen von innen heraus kann noch so viel Geld aus dem Westen nur akute Not lindern (und leider fast immer die vollen Taschen von Politikern und Funktionären weiter füllen). Und diese Veränderungen lassen sich erstens nicht erzwingen und brauchen zweitens Generationen.
Die größte Enttäuschung wird für viele Besucher die Kultur sein. Ein starres Korsett aus Religion, Hierarchien, Konventionen, fehlender Bildung aber sicher auch mangelndem Müßiggang (wer sich um seinen Bauernhof kümmern muss, um abends etwas auf dem Teller zu haben, philosophiert weniger) erstickt Innovatives im Keim. Niemand kombiniert hier seine Wurzeln mit der westlichen Moderne um etwas Neues zu schaffen. Musik und Fernsehen sind verkitschte Massenware, Literatur gibt es de facto nicht (in der öffentlichen Wahrnehmung).
Aber so will und kann ich nicht schließen, denn das Wichtigste, die Menschen, sind dafür überaus sympathisch. Viele wollten unser Geld und so sehr das in den konkreten Situation auch genervt hat, so sehr kann ich sie im Nachhinein verstehen. Niemand wollte uns etwas Böses, wir haben in Häusern übernachtet und gegessen, deren Besitzer wir gerade so kennen gelernt haben. Die Kinder rennen einem Weißen wirklich freudestrahlend hinterher. Und auf jeden Taxifahrer, der sich an uns eine goldene Nase verdient hat, kommt ein Einheimischer (oder eine Einheimische, die Frauen sind häufig noch hilfreicher und netter), der uns unverbindlich und unentgeltlich in allen denkbaren Situationen geholfen hat.
Trotz all der Schattenseiten: Ich werde Kenia vermissen!
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