Mittwoch, 25. Dezember 2013

Auf eigenen Füßen

84. 24.12.2013

Bisher dachte ich, das Essen auf Langstreckenflügen sei eine der wenigen Konstanten im Leben: Hühnchen ohne Knochen, ein wenig weichgekochtes Gemüse und Reis, dazu Salat und Salzcracker. Auf den ersten Blick sieht es auch dieses Mal so aus, bis ich die grüne Chillischote im Salat probiere. Seit meiner letzten 2 Millionen Scoville Currywurst-Mutprobe hat mein Mund nicht mehr so geschmerzt, aber damals hatte ich einen Liter Milch. Ich bin mir ziemlich sicher, dass man die Airline dafür auf Deutschlandflügen verklagen könnte, denn gewarnt wird nirgends. Ein Bissen reicht mir, selbst die Inder neben mir rühren die Chilli nicht an. Eine Stunde unruhigen Schlafes später lande ich in Chennai und bin erst einmal erstaunt. Der Flughafen ist schon dreckig, aber ziemlich groß und modern. Auch die ersten Straßen sind zwar alt, aber um Längen besser als alles was ich in Afrika gesehen habe. In die Stadt fahre ich mit einer Art S-Bahn, die dank der Uhrzeit (6:00 morgens) nicht überfüllter ist als ein deutscher Regio. Die knapp 20km in die Stadt kosten 6ct, das Tuktuk von dort zum Hotel 1,20€, was maßlos überteuert aber immer noch billig ist. Ich will nur noch ausschlafen, aber zuvor mache ich meine erste Bekanntschaft mit indischer Bürokratie. Das Hotel braucht eine Buchungsbestätigung und eine Passkopie auf Papier. Immerhin kann ich das auf später verschieben und erstmal mein Zimmer sehen. Es ist potthässlich, hat aber alles was man so braucht zum Überleben braucht, in der unteren Preiskategorie nicht selbstverständlich. Als ich mich ins Bett fallen lasse, überkommt mich ein ziemlich mieses Gefühl, basierend auf "du bist alleine in einem fremden Land, kennst niemanden, hast keine Infos und musst dir selbst helfen". Trotzdem schlafe ich irgendwie ein und sogar ganz gut. Nach dem Aufwachen sind meine Tagesziele eine SIM Karte zu bekommen und Leidensgenossen für Heiligabend zu finden. Ersteres gelingt mit sehr viel Herumfragen und Bürokratie (beste Situation: beim Passbilder schießen lassen für den Antrag auf eine SIM Karte werde ich nach meiner indischen Nummer gefragt), zweiteres auch, aber anders als erwartet. Ich hatte gehofft, irgendwo einen Backpackerspot zu finden und dort Leute zu fragen. Das ist mir nicht gelungen, dafür habe ich einen Inder kennen gelernt der englische Literatur studiert hat und den Zeugen Jehovas angehört und mir abends eine Einführung in sein Land und ein Essen ausgibt. Ich hatte es mir schlimmer vorgestellt, Heiligabend nicht daheim zu sein. Zum größten Teil war es wohl so unproblematisch, weil ich nie wirklich in Weihnachtsstimmung war, für die meisten Sansibarianer, Emiratis und Inder ist heute ein Tag wie jeder andere.
Nachdem die Morgenstunden die schlimmsten der bisherigen Reise waren, ist es stimmungsmäßig ziemlich schnell wieder bergauf gegangen. Es mag ja Leute geben, die beim Reisen alleine sein wollen und sich selbst finden, aber für mich sind Bekanntschaften und Kontakte das Wichtigste. Sobald die vorhanden sind, bin ich zufrieden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen