208. 5./6./7.05.2014
Die wohl letzte spektakuläre Etappe führt von Muktinath ins 1000 Höhenmeter tiefer auf 2800m gelegene Kagbeni, nach einhelliger Meinung der Travellergemeinde das schönste Dörfchen des Circuits. Die ausgestorbene Mondlandschaft auf dem Weg ist jedenfalls absolut gehenswert (ich bitte das schlechte Wortspiel zu entschuldigen). Zum ersten Mal kommen wir dazu, uns während des Laufens zu unterhalten. Beim Aufstieg war man außer Atem, getrennt, lief hintereinander oder alles zusammen. Hauptthema wird schnell Essen. Es stimmt tatsächlich, wenn das Heimweh kommt, dann in Form einer unerreichbaren Mahlzeit. Typisch deutsch sind die wenigsten, aber eben typisch zu Hause. Der Apfelkuchen hier steht unserem immerhin in nichts nach und kann so etwas trösten. Kagbeni liegt wie eine grüne Insel im Meer aus Staub und Steinen. Alle Vorhaben bis Jomsom, der Distrikthauptstadt, weiterzugehen, werden von der Lodge, die eigentlich zur Mittagspause gedacht war, im Keim erstickt. Billig, warm (bis auf die Dusche, es ist zum Heulen) und unsere Circuitbekanntschaften Danny, Magdalena und Hugo beherbergend fällt uns die Entscheidung leicht. Bei den drei handelt es sich um einen beinahe satirisch stereotypen Amerikaner (awesome!), eine angehende Lehrerin aus Deutschland, die seit Kathmandu gemeinsam mit ihm unterwegs ist und einen unglaublich charmanten Franzosen, der selbst schlechte Smalltalkwitzchen lustig erzählt.
Ganz aufs Laufen verzichten können wir für den restlichen Tag dann doch nicht. Im mehrere hundert Meter breiten Flusstal gehen wir zum nächsten kleinen Dorf. Das "windy valley", in dem wir von nun an gen Pokhara laufen bzw. fahren werden, trägt seinen Namen nicht zu Unrecht. Ab Mittag weht einem ein Sturm entgegen, der neben Staub auch den Schweiß ins Gesicht treibt, da man talabwärts permanent dagegen anläuft. Das Dorf, so klein, dass ich seinen Namen vergessen habe, liegt direkt am Fluss und wird vom Wind durchpfiffen. Kaum jemand ist auf der Straße, die Szenerie ist gespenstisch. Die traditionelle Architektur dagegen ist beeindruckend, Straßen sind für die Kanalisation unterhöhlt und teilweise eingetunnelt, um das Dorf kompakter bauen zu können. All das mit nicht viel mehr als Steinen, Holzscheiten und Schieferplatten!
Vor einem Haus verspricht ein Schild Tee. Das Innere wirkt nicht so, als hätte es in den letzten Jahren Gäste gesehen, aber nach etwas Geklopfe und "Namaste"-Rufen erscheint jemand. Die Auswahl ist eingeschränkt, doch der Milk Tea ist der beste seit Beginn des Trekkings.
Der nächste Tag wird zu einer Geduldsprobe. Mag es in den ersten Stunden noch reizvoll erscheinen, in einem ausgetrockneten Flussbett zu wandern, wird es spätestens mit Einsetzen des Gegenwindes anstrengend. Trotz der mittlerweile gemäßigten Höhe wächst weit und breit nicht mehr als ein paar Sträucher. Jomsom ist eine etwas schäbige, aber nette Kleinstadt mit einem der unzuverlässigsten Flughäfen der Welt. Wir machen Mittagspause und beschließen, noch zwei Stunden ins schönere Marpha weiterzulaufen. Der Weg ist genauso eintönig und von Gegenwind geprägt wie zuvor, doch Marpha markiert einen Wendepunkt. Urplötzlich scheint die Flora aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht, das Dorf markiert die Grenze zwischen Braun und Grün. Hier treffen wir erneut auf unseren vierbeinigen Freund, der herrenlos den gesamten Circuit auf der Suche nach spendablen Trekkern zu durchkämmen scheint. Ich kann mir nicht vorstellen, wie ein Hund freiwillig und alleine einen 5416m hohen Pass überqueren kann, aber dieser scheint ein echter Bergsteiger zu sein.
Erneut finden wir eine günstige, saubere Lodge (sogar mit schnellem Internet), die selbst Lassis auf ihrer Karte listet. Zum Verhängnis wird uns (eigentlich Eva und mir - Leo bleibt vernünftig) aber ein anderes Getränk. Als Zentrum des Apfelanbaus bekommt man in Marpha alles, was man aus den Früchten herstellen kann. Darunter auch Cidre. Nur hat der hier einen geschätzten Alkoholgehalt zwischen 15 und 20 Prozent und die Schärfe eines Obstlikörs. Da er jedoch trotzdem schmeckt und offensichtlich zu guter Stimmung beiträgt, werden es drei Saftgläser für jeden. Und dann ist da ja noch der selbstgebrannte Apfelbrandy... Jedenfalls schaffen es alle unbeschadet, wenn auch nicht autonom, die Treppe hinauf und bis in den jeweiligen Schlafsack.
Ohne Kater, nur ein wenig schwerfällig, beginnen wir den nächsten Tag, an dem wir ziemlich genau nichts machen. Selbst wenn wir weiterwollten, wir könnten nicht, weil Jeep- und Busfahrer streiken. Zu Fuß ist nicht wirklich eine Option, da der Weg im Tal nicht schöner wird. So verbringen wir den Tag mit der Planung der Weiterreise, einigen Blogeinträgen, dem Durchsehen der geschossenen Fotos sowie simplem Nichtstun. Keiner weiß genau, wie lange der Streik noch andauern wird, im schlimmsten Fall müssten wir bis Ghasa laufen und von dort ein Taxi nehmen, was ein bis zwei weitere Tage in Anspruch nehmen würde.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen