217. 17.05.2014
Ohne Wecker stehe ich irgendwann gegen ein Uhr mittags auf, Eva ist zu dem Zeitpunkt bereits seit einer Stunde wach. Man hat bei ihr mitunter das Gefühl, sie schlafe eher aus Bequemlichkeit denn weil es notwendig wäre. Eine kalte Dusche und Schale Müsli später sitzen wir im Bus zum Mac Ritchie Reservoir, einem groß angelegten Dschungel in der Stadt. Für den erhöhten Treewalk sind wir leider schon zu spät, so laufen wir dem Erdboden verhaftet eine Runde um den zentralen See. Singapur ist trotz des denkbar ungeeigneten Wetters (wenn es nicht gerade regnet) eine Joggerstadt. Alle paar Wochen findet irgendein Marathon oder Nightrun statt und jeden Abend begegnet einem eine bunte Schar von Asiaten und Weißen, von pummeligen Walkern bis zu trinkrucksackbewehrten Sportskanonen. Auch im Reservoir sind mindestens ebenso viele Läufer wie Spaziergänger unterwegs. Direkt neben dem Weg beginnt das undurchdringliche Dickicht des Urwaldes, aus dem ein ununterbrochenes Surren und Zirpen schallt. Auf dem Rückweg entdecken wir eine Affenfamilie am Wegesrand, die allerdings nur süß ist, bis Eva dem Baby mit der Kamera zu nahe kommt. Zähnefletschend wird sie vom 40cm großen Silberrücken vertrieben und die nächsten Passanten attackiert.
Mit dem Bus fahren wir nach Little India, das entgegen meiner Assoziationen mit Indien sauber und organisiert ist. Hier ist die mindestens coolste, vielleicht auch beste Eisdiele der Stadt: Nitro 320 below. So lernen wir die Temperatur von flüssigem Stickstoff in Fahrenheit. Die Zubereitungsmethode für mein Schokoladeneis besteht darin, Sirup in eine Schüssel zu geben und ihn darin mit Milch zu mischen und flüssigem Stickstoff zu kühlen (sollte irgendwas zwischen 170 und 200 Grad Celsius unter Null haben, wenn ich mich recht erinnere). Das Resultat ist erschreckend gut und viel weniger gesüßt, als man es von normalem Milcheis gewöhnt ist. Und der die Theke einhüllende verdampfende Stickstoff macht natürlich auch was her. Weiter fahren wir mit der Metro zur Esplanade, um Tickets für "Shakespeare in the park" zu kaufen. Das Konzept gibt es in einigen Städten, jedes Jahr wird auf einer Freilichtbühne ein Stück von William Shakespeare aufgeführt und anstatt von Sitzplätzen gibt es Rasen, auf dem jeder nach Belieben Decken ausbreiten und picknicken darf. Dieses Jahr läuft "The Merchant of Venice" in Originalfassung. Obwohl wir nicht wissen ob, und wenn ja, wie viel wir verstehen werden, klingt die Idee zu schön, um das Risiko nicht einzugehen. Das Abendprogramm der Esplanade ist bei unserer Ankunft in vollem Gange, eine Band spielt im Foyer und auf der Outdoorbühne an der Bay gibt es weitere Konzerte. Nachdem wir uns zuerst im Inneren des riesigen Gebäudes umgesehen haben, gehen wir gemeinsam hinaus und kommen gerade rechtzeitig zu Spielbeginn der Sets Band, einer lokalen Indiegruppe. Der Sänger hat eine brilliante Stimme und die Musik ist sehr eingängig, doch erst die gigantische Kulisse der Wolkenkratzer, deren Lichter sich in dem See spiegeln, sorgt bei mir für eine bleibende Erinnerung an den womöglich schönsten Abend hier.
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