Samstag, 17. Mai 2014

24 Stunden, 3 Länder

214. 14.05.2014

Heute stehen wir gleich zweimal auf. Das erste Mal um halb sechs, um Leo zum Taxi zu bringen und zu verabschieden. Da ich ziemlich übermüdet und das leergefegte Kathmandu im Morgenlicht nicht gewöhnt bin, bleibt mir die Szene eher traumhaft in Erinnerung. Gleich darauf schmeißen wir uns nochmals ins Bett und bleiben dort bis halb zehn. Danach wird gefrühstückt und gepackt, um halb eins ausgecheckt. Mitsamt unseren Rucksäcken laufen wir nach Thamel, für einen letzten Eiskaffee und um unsere verbliebenen Rupien loszuwerden. Außerdem haben wir zwei Regenhosen vom Trekken übrig, zu billig, um sie nach Deutschland zu schicken, zu unbrauchbar, um sie weiterhin mitzunehmen. Für 500Rs werde ich sie an einen Ausstatter los. Diese werden klug in Zahnpasta investiert. Um zwei schließlich nehmen wir eines der klapprigen Taxis zum Flughafen. Roter Ziegelbau und die Größe eines lokalen Einkaufszentrums versprühen "Wohnzimmeratmosphäre" (Eva) fernab des geschäftigen Treibens in den gigantischen, weiß gefließten Knotenpunkten dieser Welt. Nach etwa eineinhalb Stunden (leider ohne Blick aufs Himalaya - um diese Jahreszeit ist es nur noch frühmorgens klar genug) gelangen wir an einen solchen. Im und um den Flughafen präsentiert sich Delhi von seiner mondänsten Seite. Sieben Stunden Aufenthalt stehen uns bevor und nachdem wir die nötige Bürokratie hinter uns gebracht haben, um während eines Zwischenstopps den Transitbereich verlassen zu können (gültige Visa haben wir schließlich noch), steht einem Wiedersehen mit Rythem nichts mehr im Wege. Kaum sind wir aus der Arrivals Halle, sehe ich sie wild gestikulierend hinter der Absperrung stehen. Wir beide müssen inmitten all der Inder wie zwei Fackeln wirken. Mit dem Taxi geht es nach Gurgao, einem Vorort von Delhi, der rein gar nichts mit dem normalen Indien zu tun hat (außer in seiner Widersprüchlichkeit). Über vielspurige Highways zwischen viel Grün, Shopping Malls und verglasten Burögebäuden (der schöne, nicht der möchtegern-moderne Typ) fahren wir zu einem riesigen Business Park (Zusammenschluss aus Bürogebäuden, Parkhäusern und teilweise Kindergärten, Schulen, Restaurants etc. unter einem Dach). Dort trinken wir zwischen weißen Expats und IT-Indern ein Bier, bevor wir weiter zu einem riesigen Shoppingcenter fahren, in dem man laut Rythem das "beste indische Restaurant Delhis" vorfindet. Überhaupt Rythem. Schon in Kathmandu hat man bei ihr herausgehört, dass sie mit ihrer derzeitigen Situation nicht wirklich zufrieden ist. Das scheint sich im letzten Monat noch verstärkt zu haben. Sie denkt zur Zeit darüber nach, hinzuschmeißen und von vorne anzufangen (was hier eine ganz andere Herausforderung als in Deutschland ist). Ihr jetziger Job bei American Express ist der indische Traum vom Wohlstand, aber diese Welt, in der die Menschen für ihre Jobs leben, ist nicht ihre. Allerdings ist sie sich ebenso unsicher, was sie eigentlich möchte. Auszeit, Fotografie, nochmal studieren? Ich bin gespannt, wie sie sich entscheidet. Das Essen ist jedenfalls über jeden Zweifel erhaben. Für das letzte Mal bleiben wir bei Altbekanntem: Schwarzem Dal und Paneer, dazu Naan. Die von Rythem gewählte Vorspeise, Mandel-Brokkoli Bratlinge, fügen dem noch etwas Außergewöhnlicheres hinzu. Wir alle ärgern uns, dass die Organisation nicht geklappt hat und wir deswegen nur sieben Stunden statt einigen Tagen in dieser tollen Stadt mit Rythem verbringen können. Um dreiviertel zehn holt uns ein Taxi ab, wir verabschieden uns von Rythem, nicht ohne die Versicherung, in Kontakt zu bleiben und fahren zurück durch das futuristische Gurgao. Genau deshalb mag ich Delhi besonders, es gibt alles. Von den unbeschwerten, weitläufugen Mittelschichtsvierteln à la Bangalore oder Chandigarh bis hin zu den vollgestopften, dreckigen Gassen der durchschnittlichen Kleinstadt findet sich hier alles. Dazu Unmengen an Kultur und Politik. Es mag schönere Städte in Indien geben, doch mir fällt keine interessantere ein.
Kurz nach zehn erreichen wir den Flughafen, hangeln uns nochmals durch die komplette Check-In Prozedur, erstehen von den letzten 60 Rupien ein KitKat und heben ziemlich genau um Mitternacht gen Singapur ab.

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