152. 4.3.2014
Die Zugfahrt nach Mumbai ist spektakulär, zuerst schlängeln sich die Gleise an den zur Küste abfallenden Ghats hinunter, dann fährt man durch schier endlose Vororte und erlebt Urbanisierung im Zeitraffer. Ohne dass sich das Zentrum ankündigen würde, sind wir plötzlich am Victoria Terminus, dessen neuen Namen kaum jemand benutzt. Da Rikshas im südlichen Teil Mumbais verboten sind, nehmen wir für die letzten Kilometer nach Colaba ein Taxi. Die Unterkunftssituation ist tatsächlich so katastrophal wie beschrieben. Für 700Rs kriegt man ein Loch in der Wand, für 2000 ein normales Doppelzimmer. Wir entscheiden uns für einen Kompromiss, ein badloses, schönes Zimmer mit Blick aufs Taj Mahal Palace Hotel für 1600 Rupees. Anderswo ist das Mittelklasse, aber was solls, so sind Metropolen nun einmal. Das Taj Mahal Hotel ist übrigens das exklusivste Hotel Indiens gewesen. Mittlerweile gibt es zwar luxuriösere, aber keines davon hat den Ruf oder den Charme dieses beinahe 100 Jahre alten Palastes. Direkt daneben befindet sich praktischerweise das zweite Wahrzeichen Mumbais und irgendwie auch Indiens, der Gateway of India. Ehrlich gesagt ist er spätestens seit hier eine Skyline entsteht nicht wirklich monumental, er wirkt mehr wie ein nettes Relikt aus Kolonialzeiten. In Sightseeinglaune trenne ich mich von Socke, da meine Art von Stadtrundgängen erfahrungsgemäß planlos, lange und anstrengend ist. Ich laufe etwa 10km von Colaba, der "Altstadt", über den Victoria Terminus zum Marine Drive, einer Küstenpromenade, entlang derer sich das neue Mumbai in Form von Hochhäusern, Sauberkeit und Liebespaaren präsentiert. Genau, Liebespaaren. Wenn ich ein Symbol für den gesellschaftlichen Wandel in Indien aussuchen könnte, dann unschuldig in der Öffentlichkeit kuschelnde Pärchen. Hier am Marine Drive sind sogar Küsse legitim. In einem Land, wo mehr als 80% den Partner nicht selber wählen, bei Beziehungsfragen der Passiv üblich ("I got married to...") und Sex nach wie vor ein Tabu ist, ist das eine kleine Revolution. Eine schöne noch dazu. Überhaupt stelle ich fest, wie gerne ich die neue, liberale Generation von Indern mag. Sie sind einerseits westlich, andererseits aber sehr familienverbunden und bescheiden (und ihr Englisch ist klasse). Während der Individualitätshype bei uns teilweise absurde Züge annimmt, steckt diese Art von Lebensstil hier noch in den Kinderschuhen. Irgendwie beschaulicher.
Umringt von Paaren, Collegestudenten und kricketspielenden Kindern schlendere ich über den Chowpatty Beach nach Malabar Hill, einer Wohngegend in bester Lage. Nachdem ich dort von oben einmal rundum sehen konnte, laufe ich zur nächsten S-Bahn Station und fahre zurück nach Colaba, wo mir eine kränkliche Socke vor der Tür bewusst macht, dass ich ja die Schlüssel habe.
Das Abendprogramm misslingt leider fatal. Heute habe ich noch herausgefunden, dass Ele und Sven ebenfalls in Mumbai sind, wegen ihres Abflugs. Aus dem abgesprochenen Abendessen im Restaurant wird zuerst ein gemeinsames Bier in einer hippen Bar in Bandra und dann eine Absage, da der Freund, bei dem sie unterkommen, erst um zehn von der Arbeit zurück ist und ihr Flug um ein Uhr geht. Socke ist heute eher nicht für Nachtleben zu haben, also setze ich meine Hoffnungen auf Pietsch, den wir morgen früh vom Flughafen abholen werden. So kriege ich zumindest eine Nacht ausreichend Schlaf.
Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.
AntwortenLöschenSelten einen so arroganten, gönnerhaften Blog gelesen, Herr Kolonialherr.
AntwortenLöschenDarf ich fragen, wie oft Sie bisher in Indien waren?
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