Samstag, 1. März 2014

Geschichtsstunde

149. 1.3.2014

Hyderabad hat ein gemäßigtes Klima und wir eine kalte Dusche. Der Start in den Tag hätte angenehmer verlaufen können. Unausgesprochene Abmachung heute scheint zu sein, dass wir alles sehr langsam und gemächlich angehen, nachdem die letzten Tage ziemlich stressig waren und die folgenden ihnen kaum nachstehen werden. Mit dem Bus fahren zum Golkonda Fort, das vor langer Zeit mal sehr wichtig war und es heute noch für den Tourismus ist. Während der Fahrt spricht uns zu meiner vollkommenen Überraschung eine junge Frau in Hijab in fast perfektem Englisch an. Durch den Straßenlärm habe ich trotzdem nicht alles verstanden, aber fest steht, dass sie aus Saudi-Arabien kommt, in Hyderabad studiert, sehr neugierig ist und nach eigener Aussage "Fairy" heißt. Uns zuliebe nimmt sie sogar den Gesichtsschleier ab, was sicherlich eine große Ehre ist. Um eine Handynummer reicher besichtigen wir das Fort für einige Stunden, was bei seiner Größe leicht fällt. Obwohl wir weder Ahnung noch einen Guide haben, ist die Anlage eindrucksvoll, alleine durch ihre Ausmaße. Das vielleicht beste an ihr ist aber der Blick, den man von dem Gipfel des bebauten Hügels auf Hyderabad hat. Indische Großstädte haben kein Zentrum, zumindest kein ersichtliches. In alle Richtungen erstrecken sich kilometerweit drei- bis fünfgeschossige, hell angestrichene, hässliche Funktionsbauten und die einzigen Hochhäuser gehören nicht etwa zum CBD (so etwas gibt es gar nicht), sondern zu irgendeinem Vorort. Ich frage mich, wie die Inder es trotz ihrer Niedrigbauweise schaffen Weltrekorde in punkto Bevölkerungsdichte in Städten zu halten...
Nach dem Kulturteil zeige ich Socke ein Coffee Day Café, das in keiner Ansiedlung mit über 500 000 Menschen fehlen darf und eine gewisse Kontinuität in dieses vielseitige Land bringt. Auf dem Rückweg wollen wir uns noch eine riesige Moschee anschauen, wofür Socke extra ein Tuch kauft. 600Rs dafür sind vermutlich ein unverschämter Wucher, leider haben wir aber keinen blassen Schimmer von Stoffpreisen und -qualitäten und der Verkäufer hat bei 1500 angefangen, was es mich zumindest subjektiv als Erfolg verbuchen lässt. In die Moschee kommen wir trotzdem nicht, nur auf den Vorhof. Wenn man dessen Zustand betrachtet, kann man allerdings verstehen, warum Besucher im Inneren nicht erwünscht sind. Da es dort nicht allzu viel zu entdecken gibt, sind wir recht schnell wieder unterwegs, zurück zum Bahnhof. Die drei Stunden bis zur Abfahrt verbringen wir bei McDonalds (BigMac mit Hühnchenfleisch, kann nicht gut schmecken, aber da ist dieses Bedürfnis, sich dessen zu versichern) sowie dem vergeblichen Versuch, Internetguthaben bei einem offiziellen Vodafone-Store aufzuladen.
In dem Nachtzug nach Pune hatten wir anfangs eine Waitlistplatzierung, konnten also nicht sicher sein, ob wir überhaupt zusteigen dürfen. Daraus wurde zunächst ein RAC Platz, d.h. man hat einen garantiertes Bett, muss es sich aber möglicherweise teilen (was Schlaf schlichtweg unmöglich macht). Diesen Status behalten wir bis zur Abfahrt und bereiten uns auf eine Nachtfahrt im Sitzen vor, als ein Schaffner (oder Engel, wer weiß) meine Fahrkarte erneut begutachtet und mir mitteilt, dass das angrenzende Bett soeben frei geworden sei. Gute Nacht.

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