120. 30.1.2014
Marion kriegen wir gar nicht mehr zu Gesicht, als wir um 7 Uhr morgens zum Busbahnhof laufen. Dafür hat sie uns einen netten Abschiedszettel hinterlassen und wünscht alles Gute. Wir ergattern die letzten Plätze in der hintersten Reihe in dem Bus nach Munnar. Eine halbe Stunde später wird klar, wie viel Glück wir hatten. Ich habe hier schon einiges an Gedränge und Überfüllung erlebt, aber dieser Bus, der sich uhrzeitlich als Schulzubringer anbietet, stellt alles bisherige in den Schatten. Die Menschen im Mittelgang verschmelzen zu einer homogenen Masse mit einer Vielzahl an Extremitäten, die sich an alles klammern, was Halt verspricht. Ich bekomme die Auswirkungen in Form von auf meinem Schoß abgestellten Rucksäcken zu spüren, bis der Spuk um 9 Uhr vorbei ist. Die Schule hat begonnen, von nun an teilen wir uns den Bus mit einer Handvoll Erwachsenen. Fünf Stunden brauchen wir für die landschaftlich atemberaubenden 110km.
Munnar dagegen wirkt, als habe man experimentiert, wie man den Eindruck einer malerischen Umgebung maximal konterkarieren könne. Bauruinen, Wellblech, Funktionsbauten in einem Tal auf 1600m, außenrum teeplantagenüberzogene, sanfte Hügel und wuchtige, grasbewachsene Berge (darunter auch die mit 2700m höchste Erhebung Indiens außerhalb des Himalayas). Kerala ist grün, von den dichten Mangroven über die Palm- und Bergwälder bis zu den Grasflächen in den höchsten Lagen. Wegen des Klimas gibt es keinen Flecken Erde, an dem nicht irgendetwas sprießen würde. Speziell um Munnar ist das, was sprießt, hauptsächlich Tee, 75 Tonnen der grünen Blätter werden hier täglich geerntet. Das lerne ich im Teemuseum, dass sich ansonsten allerdings größtenteils als Flop herausstellt. Viel schöner ist es da, einfach ein wenig durch die Landschaft spazieren zu gehen, wobei mich das natürlich schnell langweilt und ich mir den steilsten Hügel zur Besteigung erküre. Schnell bereue ich, dass ich erstens keine Kamera und zweitens meine sansibarianischen möchtegern Levi's Schuhe, die sich im Zustand der Auflösung befinden, dabei habe. Nachdem ich wieder heruntergestolpert bin, entdecke ich eine Hängebrücke für Fußgänger über den Talfluss und freue mich darüber sehr. Manchmal ist eine eigens gefundene Hängebrücke cooler als jede Touristenattraktion.
Abends gehen wir nochmal gemeinsam ins Stadtzentrum, wo es trotz absolut unindischer Temperaturen um 16 Grad einen Nachtmarkt gibt. Gegen die Kälte (sicherlich ein relativer Begriff für Leser aus Deutschland, die bei Minusgraden in ihren Häusern sitzen) hilft das ziemlich scharfe Essen der Straßenstände. Trotzdem halten wir es, verwöhnt wie wir sind, nur bis halb neun im Freien aus, bevor wir zum Hostel zurückkehren.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen