251. 21.6.2014
Jeder Touristenführer empfiehlt, Jakarta zu umgehen. Verkehrschaos, die schiere Größe, der Mangel an Sehenswürdigkeiten. Einen entspannten Strandurlaub auf Bali will man so weder beginnen, noch beenden. Genau das reizt uns. Wir haben festgestellt, dass wir beide ein ausgeprägtes Faible für touristisch vernachlässigte Großstädte haben. Das sich-orientieren, das pulsierende Leben, das Kulturangebot, irgendwie alles interessanter als ein Tempel in dem 1272 Buddhas großer Zeh erschienen sein soll (beispielhaft für so viele der Empfehlungen). Nicht zuletzt auch die Herausforderung, von A nach B zu kommen, wenn möglich, taxilos. Alleine die Länge der Einträge (zum Beispiel Singapur vs. Sulawesi) bezeugt, wo wir mehr erleben und zu erzählen haben. Nach einem routiniert selbstgemachten Frühstück (Kaffee, Cornflakes, Früchte, Milch) verbringen wir erst einmal zwei Stunden in Bussen auf dem Weg zur National Gallery. In Jakarta kann man unterscheiden zwischen den Speedbussen mit eigenen Fahrspuren, die ziemlich langsam sind, und den normalen Straßenbussen, deren Geschwindigkeit meist unter der menschlichen Wahrnehmungsschwelle liegt. Zweitere sind außerdem nicht klimatisiert, was eine Fahrt zu einem Erlebnis für Schweißdrüsen und Lungenflügel macht. Dafür steigen alle zwanzig Minuten mehr oder minder begabte Straßenmusikanten, oft Kinder, zu und geben eine Performance zum Besten. Auf lange Sicht würde ich in diesem Verkehr durchdrehen.
Die Gallerie ist bis auf eine kleine Ausstellung, die aussieht wie eine Slideshow für einen LSD Trip, geschlossen, dafür befindet sich gleich daneben das Nationaldenkmal, ein triumphaler Obelisk mit Fackel oben drauf, etwas vulgär, aber eindrucksvoll. Mit der irgendwie auch vorhandenen, aber kaum flächendeckenden Metro kommen wir weiter nach Kota, der Altstadt Jakartas (das heute übrigens 487 Jahre alt wird, weswegen der öffentliche Nahverkehr gratis ist), wo sich das Nationalbankmuseum befindet, das angeblich auf anschauliche Weise die Geschichte Indonesiens in wirtschaftlichen Zusammenhängen darstellt. In der Praxis ist es nur für mich interessant und wenn die unterschiedlichen Systeme der Papiergeldausgabe zwischen 1949 und heute diskutiert werden, dann geht mir das auch etwas zu sehr ins Detail. Zur Belohnung für Eva für so viel durchstandene Volkswirtschatslehre nehmen wir danach die Metro zur art 1 Gallerie, die sich in einem supermodernen Gebäude (eine kreative Interpretation eines Autohauses) in einem eindeutig ärmeren Viertel niedergelassen hat. Eintritt ist frei, gezeigt wird nur eine umfassende Ausstellung eines indonesischen Künstlers, die wir zwar nicht ansatzweise verstehen, aber trotzdem mögen. Seine naiven Darstellungen von übermenschlichen Wesen oder Prominenten spielen häufig auf Politik und Gesellschaft an, aber selten in einem universalen, sondern eher in einem indonesischen Zusammenhang. Die Abstrusität und Satire fällt einem aber auch ohne weitere Kentnisse ins Auge. Im Anschluss trinken wir einen Kaffee und versuchen als nächstes, unser für das Abendessen vorgesehene Restaurant mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen, was wieder einmal langsam, aber zuverlässig funktioniert. Zum Ende hin sollte es doch mal etwas besonderes sein, und so haben wir das Internet nach Restaurants mit feiner indonesischer Küche durchstöbert, mit dem Ergebnis, dass sich beides nicht vereinbaren lässt. Teure Restaurants servieren entweder international, oder einem Expatpublikum pseudoindonesische Küche. Traditionelle Gerichte sind herzhaft und sättigend und bisher scheinen die Indonesier sie auch genau so zu mögen und sehen dementsprechend keinen Sinn darin, sie für den fünffachen Preis neu zu kreieren. Pengkap 33 ist da noch das luxuriöseste unter den bei Einheimischen beliebten Restaurants. Das Essen schmeckt eigentlich genau wie auf der Straße, nur kostet es mehr. Alles in allem war die indonesische Küche eher durchschittlich, kaum schlechtes Essen, aber auch kein Naan, kein Paneer, nichts, was mich wirklich umgehauen hat.
Da wir nun schon einmal so nahe am Meer in Pluit im Norden Jakartas sind, lassen wir es auf einen Versuch ankommen und laufen in Richtung Küste. Doch schon auf halbem Weg werden wir von einer Shoppingmall an einem Kanal aufgehalten. Die Lage böte sich für ein oder zwei Bier gut an, aber wir sind nicht ganz zufrieden zu stellen. Der Supermarkt ist zu teuer, die Restaurants sowieso und außerdem kann man sich nirgendwo hinsetzen. Wir beschließen, gleich nach Kota, das Zentrum des Nachtlebens, zurückzufahren und unser Glück dort zu versuchen. Letzten Endes machen wir es wie die Locals, kaufen drei Bier im 7/11 und setzen uns damit vor den Supermarkt. Der Club gegenüber hat heute geschlossen, deswegen suchen wir gegen Mitternacht Mille's auf, einen kleinen Nachtclub, angeblich dunkel und schäbig. Nach langer Suche atmen wir erst einmal auf, als wir die Musik hören. Gut, es ist nicht gerade Deephouse, aber immerhin schon mal kein Funky Kota, wie die trommelfelltraumatisierende Szenemusik genannt wird (schrille Teletubbie Synthesizer auf 08/15 Beats). Wir sind die zwei einzigen Weißen, das Publikum besteht aus Kiddies, aufgeputzten Typen mit Sonnenbrille und Frauen in Miniröcken und einigen älteren Männern, die ihre Gespielinnen gönnerhaft ausführen. Dunkel ist der Club durchaus, aber in etwa so schäbig wie ein Opernhaus. Mich würde interessieren, wie demnach schicke Clubs in Jakarta aussehen. Trotz all dieser Umstände bleiben wir zwei Stunden und schaffen es dabei sogar, Spaß zu haben. Auf einer Leinwand neben der Tanzfläche wird die WM übertragen (die Besitzer sind ganz offensichtlich Deutschlandfans, die anmietbaren Karaokeräume tragen Namen wie Bochum, Bayern München und Mönchengladbach). So bekommen wir den Anstoß Deutschland - Ghana um zwei Uhr mit. Wenigstens die zweite Hälfte wollen wir in netterem Ambiente sehen, namentlich im Treehouse, einer hippen Bar, dummerweise im Süden Jakartas, 16km entfernt. Aber bei Taxipreisen von 25ct/Kilometer ist das auch keine Katastrophe. Eher schon, dass auf Google Maps, Trip Advisor und Facebook um Kilometer variierende Angaben über die Lage der Bar kursieren. Nach fast einer Stunde Suche geben wir auf. In einer Wohnung tragen knapp ein Dutzend junger Indonesier ein PS3 Pro Evolution Soccer Turnier aus und lassen dabei die Liveübertragung laufen. Wir gesellen uns dazu, haben stockende Konversationen in Englisch und schauen die sogar für Fußballverachter wie mich spannenden letzten 15 Minuten des Spiels. Danach laufen wir 2km zur Haupstraße, fahren eine Stunde Bus, laufen weitere 3km und sind um halb sechs schließlich zurück bei Nathalie, deren Mutter bereits wach ist und uns aufmacht.
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