Montag, 7. April 2014

Wo bin ich gelandet?

184. 7.4.2014

Nach einem erneut geschmacklosen Frühstück mache ich mich auf den Weg zum Bahnhof. Das Wetter macht mir den Abschied mit Regen und Temperaturen im einstelligen Bereich leicht. Die Zugfahrt ist halb so schnell und doppelt so teuer wie dieselbe Strecke via Bus, aber hier ist eindeutig der Weg das Ziel. An nicht enden wollenden Berghängen verläuft die schmale Trasse auf wundersame Weise fast geradeaus, das Gefälle ist minimal. Umso mehr Kurven, Tunnel und Brücken gibt es, sie gehen in die Hunderte und sorgen dafür, dass der Zug selten 30km/h erreicht. Um vier, nach fast sechs Stunden Fahrt, komme ich in Kalka an, von wo man noch einmal eine Stunde Bus nach Chandigarh fährt. Die Stadt ist, das wird schon beim Hineinfahren klar, die bizarrste, die ich in diesem Land bisher gesehen habe. In den 50er Jahren von Le Corbusier komplett am Reißbrett entworfen, erweckt sie den Eindruck einer Trotzreaktion auf die Probleme anderer indischer Städte. Schon auf der Karte fällt die Sektoreneinteilung mit rechtwinklig zueinander verlaufenden Avenues auf. Wenn man dann noch auf den Maßstab der Karte blickt, erlebt man sein nächstes Wunder: Die Ausmaße der Stadt sind gewaltig. Ein Sektor misst geschätzt 1,5x0,8km und es gibt 50. Damit dürfte Chandigarh die einzige Autostadt Indiens sein. Für den Großteil der Bevölkerung ohne motorisierten Untersatz macht das Raumkonzept, nachdem die Sektoren Funktionen wie Wohnen, Arbeiten, Einkaufen usw. zu erfüllen haben, jedoch denkbar wenig Sinn. Außerhalb der Kernsektoren dominiert Grün und die Betonbauten werden in den Hintergrund gedrängt. Was ich in Europa gutheißen würde, passt hier einfach nicht. Obwohl die Einwohnerdichte mehr als doppelt so hoch wie die Berlins ist, wirkt Chandigarh leblos. Die Kontraste steigern sich ins Unermessliche, als ich aus Preisgründen zum ersten Mal eine Fahrradriksha zu meinem (vorgesehenen) Hotel nehme. Auf einem antiqierten Drahtesel lasse ich mich durch "Indiens Traum von der Moderne" (Zitat Reiseführer) fahren. Es soll der Beginn einer Odysee sein, die ich teilweise schon befürchtet hatte. Wie bereits erwähnt, sind die Hotelpreise in Chandigarh für hiesige Verhältnisse unverschämt. Es gibt aber durchaus Ausnahmen, meist in staatlicher Hand oder gemeinnützug. Hier kommt aber ein neues Problem hinzu. Diese Unterkünfte nehmen häufig keine Ausländer auf, weil der bürokratische Aufwand dafür zu hoch ist (wer schon einmal das Formular beim Check-In gesehen hat, weiß, was ich meine). Ich verbringe zwei Stunden in fünf Hotels in drei Sektoren, die allesamt "occupied", "full" und "booked out" sind. In einem Dharamsala gesteht man mir immerhin, das Ausländer durch die Regulierungen einfach eine zu komplizierte Angelegenheit seien. Frustriert gehe ich zum billigsten Hotel aus meinem Reiseführer, 15€, so viel, wie ich sonst an einem ganzen Tag ausgebe. Doch 20m vor dessen Eingang werde ich aus meinen Verwünschungen geholt. Der Besitzer des Nachbarhotels bietet mir für 600Rs eine fensterlose Zelle mit müffelndem Gemeinschaftsbad an. Anderswo ein Wucher, kann ich mein Glück hier kaum fassen. Zur Feier des Tages und da ich die letzte Woche sowieso sehr günstig weggekommen bin, besuche ich heute mal ein hochklassiges Restaurant. Ich hatte schon länger Lust auf Pizza. Für die muss man allerdings bereit sein etwas Geld auszugeben, sonst erhält man eine aufgeblasene amerikanische Teigbombe mit Curry-Dressing und obskurem Käsebelag. Die 6€ haben sich (als eine der wenigen Ausgaben heute) jedenfalls gerechnet.

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