Sonntag, 6. April 2014

Schnuppertrekking

181. 4.4.2014

Die "Wanderung" beginnt nach kurzem Frühstück auf einem Schotterweg nach Bhagsu, einem etwas höher gelegenen Dorf. Hier gibt es eine Quelle, einen Tempel und - ein Freibad. Darin  bzw. fast drei todesmutige Inder in Schwimmbekleidung. Weiter geht es auf einem grob gepflasterten Weg in ein sich verengendes Tal bis zu einem Wasserfall, der entweder heilig oder einfach eine Sehenswürdigkeit ist. Im Zweifel beides. Hier muss ich mehrmals nachfragen, bis ich den richtigen Pfad den Berghang hinauf finde. Sehr schnell ist nichts mehr außer das Rauschen des Wasserfalls aus dem Tal zu hören. Das Terrain wird anspruchsvoller, durch viele Kehren und hohe Stufen gewinnt man schnell an Höhe. Kurz vor dem Bergkamm desillusioniert mich eine entgegenkommende Gruppe mit der Auskunft, von hier seien es noch vier Stunden bis zur Spitze des Triund Hill, meinem Tagesziel. Doch ich habe mir von Anfang an vorgenommen, bis zur Spitze oder zwei Uhr nachmittags bergauf zu wandern und dann umzukehren. Außerdem ist die Landschaft trotz (oder wegen?) des miesen Wetters imposant genug, um zu motivieren. Das i-Tüpfelchen sind dabei die kleinen Schreine und Tempel entlang des Weges, die an exponierten Stellen des Bergrückens stehen als wären sie natürlicher Bestandteil der Landschaft und schon immer dagewesen. Ich fühle mich, als wäre ich in Skyrim gelandet (allen, die das nicht verstehen, kann Google helfen). Zumindest ist dies der erste Ort, dem ich persönlich eine meditative Ausstrahlung zugestehen muss. Keine Angst, ich habe mich nicht hingesetzt und Energielinien nachgespürt, sondern bin weitergegangen und habe innerhalb von zwei Stunden den Gipfel erreicht. Das hat vermutlich weniger mit meiner guten als vielmehr mit der für gewöhnlich schlechten Konstitution von Indern zu tun. Wer es sich leisten kann, hat für jede Anstrengung und jeden Handgriff im Alltag einen Bediensteten. Und wer einen Urlaub im Himalaya bezahlen kann, hat sicherlich einige Hausangestellte. Sport aus Spaß oder um fit zu bleiben ist noch sehr neuartig.
Leider regnet es auf dem Triund Hill, was bei den Temperaturen und dem Wind ohne große Umwege zu Frieren und Unterkühlung führt. Glücklicherweise haben einige geschäftstüchtige Einheimische hier oben kleine Teehütten errichtet. Gemeinsam mit einem Japaner und seinem indischen Guide trinke ich einen Chai und bewundere die rauhe, wunderschöne Landschaft um uns. Hinter uns das sonnenbeschienene Tal, um uns Schneematsch, zackige Hügel und Nadelwald, vor uns, zum Greifen nah, die mächtige, grellweiße 5000er Kette, die Gipfel von Wolken verhangen. Von den beiden erfahre ich, dass ich bergauf einen kaum bekannten Umweg gelaufen bin, während der Hauptweg bis auf den letzten Kilometer breit ausgebaut und mit Stufen versehen ist. Der Abstieg wird also leichter, als er es sowieso schon ist. Was der Weg an Komfort bietet, fehlt ihm allerdings an Charme. Keine Tempel, keine Einsamkeit, kein beißender Wind auf einem Bergrücken. Dafür eine Vierergruppe Collegestudenten aus Dharamsala, von denen einer heute Geburtstag hat. Ich bin bereits wieder im warmen, sonnigen Talabschnitt, als die vier mich auf dem Boden picknickend auf einen Whiskey einladen. Ich stelle mich auf die übliche Fragerei und Bitten um Fotos ein und werde positiv überrascht. Klar sind sie neugierig, aber auf eine angenehmere Art und Weise. Außerdem ist ihr Englisch gut genug, um sich vernünftig unterhalten zu können. Aus einem Whiskey werden drei oder vier, während wir über Modi, Kejrival, die kommenden Wahlen, Indiens geopolitische Lage ("Fuck China!") und das deutsch-indische Verhältnis palavern. Irgendwann wollen die Jungs dann doch weiter, speziell mein Hinweis, weiter oben gäbe es Schnee macht sie neugierig. Ich nehme beschwipst-vergnügt die letzten, einfachen 3km in Angriff und komme über zwei Stunden vor Sonnenuntergang in Dharamsala an.

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