Sonntag, 27. April 2014

(Ent)Spannung

202. 27.04.2014

Unsere Version von "es ruhiger angehen lassen" beinhaltet lediglich eineinhalb empfohlene Tagesetappen. Diese sind mit Laufzeiten von drei bis fünf Stunden aber tatsächlich kurz. Uns scheint jedenfalls eine langweilige Straßenetappe zum Höhe gewinnen bevorzustehen. Bis ich auf der Karte eine fein gestrichelte schwarze Linie weiter unten im Flusstal entdecke. Die stellt sich als alter Fußpfad heraus, leider mit steilen Geröllfeldern durchsetzt und deshalb langwierig. Doch die Anstrengung lohnt, mitten im Nirgendwo führt der Weg hinter einem riesigen Wasserfall vorbei, der noch 50 weitere Meter gen Tal stürzt. Die ganze Szenerie gehört nur uns, weit und breit sind keine anderen Menschen.
Nachteil dieser Einsamkeit ist die halbstündige Klettereinlage, die wir benötigen, um wieder auf die Straße zu kommen. Von da an ist der Weg zwar kaum spektakulär, aber wir fitter denn je, und sei es nur wegen des Adrenalins. Um vier erreichen wir, mittlerweile im Regen, Chame, die erste größere Ansiedlung seit Beginn des Treks. Während sich die Lodges meistens bis ins kleinste Detail (Zimmerausstattung, Speisekarte, Preise) gleichen, gibt es hier immerhin einen unter- bzw. entscheidenden Faktor: Internet. Die Annapurnaregion ist auf meiner gesamten, an wenig entwickelten Gebieten nicht gerade armen Reise bisher das erste, in dem nicht auf jedem dritten Gebäude ein Mobilfunkmast steht und man wirklich noch weit weg vom Rest der Welt ist. Andererseits sind Eltern und Verwandte natürlich gerade hier besonders besorgt und erwarten regelmäßigen Rapport.

Schon besser

201. 26.04.2014

Nach einem beinahe aufgegessenen Müsli führt der Weg heute ziemlich steil und mit vielen Höhen und Tiefen bis nach Karte, mehr Häuseransammlung als Dorf, auf 1850m. Das Schöne an der perfekten Wandererinfrastruktur am Annapurna Circuit ist, dass man alle 40 Minuten an einen kleinen Hotel oder Dorf vorbeikommt, wo man essen und übernachten kann. Man braucht sich also nie vorher Gedanken darüber machen, wie weit man am nächsten Tag laufen will.
Die Landschaft verändert sich langsam, die Wälder werden weniger, dafür gibt es nun Farne und Bambus, außerdem Palmen(?) und Cannabis. Wie gewohnt übernehme ich mich beim Abendessen kräftig, da ich kurz vor meiner endgültigen Gesundung jedes Mal ein heftiges Hungergefühl habe, bis mir die ersten Bissen klar machen, dass mein Magen noch auf Sparflamme arbeitet.

Einstieg mit Hürden

200. 25.04.2014

Ich erwache eine halbe Stunde vor der Weckzeit mit grummelndem Magen. Es gibt wohl kaum einen besseren Zeitpunkt zum krank werden, als während eines Treks. Zum Frühstück kriege ich gerade so einen Tee und ein paar Stücke Apfel runter. Man sollte meinen, dass in diesem Fall ein Ruhetag angebracht wäre. Doch ich bin überzeugt, meinem Körper durch eine fünfstündige Wanderung mitteilen zu können, dass er die Krankheit auf passendere Zeiten verschieben soll. So quäle ich mich - anders kann man es nicht sagen - von Bulbule bis Ghermu, wobei auf den letzten Kilometern erst mir und dann auch Leo und Eva die Frage kommt, ob die Idee wirklich so gut war. Halbtot angekommen, sieht die Sache nach einer Cola und zwei Stunden Schlaf schon ganz anders aus. Ich bin sogar noch motiviert genug, bis hinunter zum Fluss nach Syange zu laufen, wo ein riesiger Wasserfall Evas Aufmerksamkeit auf sich zieht. Enttäuscht muss sie aber feststellen, dass das zugehörige Becken zum Baden sogar für sie zu lebensgefährlich ist.
Beim Abendessen schaffe ich immerhin wieder eine Suppe. Von wegen Bettruhe.

Mittwoch, 23. April 2014

Kathmandu / Entscheidungsfindung

198. 21./22./23.04.2014

Zu Evas Aktivitätendrang gesellt sich nun auch Leo, was in der Summe zu viel ist, um diszipliniert bloggen zu können. Darüber hinaus geschieht auch recht wenig in diesen Tagen. Sechs Nächte sind wir insgesamt in Kathmandu. Für uns ist die Stadt eine Art Hub, denn von hier aus organisieren wir nicht nur das Trekking, sondern auch die Weiterreise, wohin immer diese uns führt. Diese Frage und die nach der Besteigung des Dhampus Peak sind unsere Hauptbeschäftigungen während der drei letzten Tage hier.
Die Besteigung findet unter Vorbehalt (Wetter) statt und würde uns eine ordentliche dreistellige Eurosumme pro Person kosten. Mitschuld an dem hohen Preis trägt die neue Permitgebühr, die seit dem Übergang der Lizenzvergabe von privater auf staatliche Organisation für den Dhampus Peak sprunghaft von 350$ auf 600$ für drei Personen angestiegen ist. Da kann man den Hass vieler Nepalesen auf "die da oben" gut verstehen. Ein weiterer Grund ist, dass es keine Infrastruktur gibt, wir also Guide, Träger, Koch etc. benötigen. Trotz alledem zögern wir mit Blick auf das Erlebnis nicht lange. Jetzt muss nur noch das Wetter stimmen.
Die zweite Entscheidung fällt dagegen ungleich schwerer. Eva und ich haben grundverschiedene Vorstellungen von der Weiterreise, die wir aber trotzdem gerne gemeinsam bestreiten würden. Ich will über Tibet und die Mongolei nach Russland und schließlich Europa, Eva will Strand, am liebsten in Indonesien (was für mich von allen Ländern in der Region immerhin noch das akzeptabelste ist). Dass ein Kompromiss da nicht möglich sein würde, war von Anfang an klar, nur eingestehen wollten wir es uns nicht. Nach einem ziemlich kopfzerbrecherischen, unschönen Tag gebe ich nach, denn Eva würde sich nicht von ihrem Strandwunsch abbringen lassen und beides zu kombinieren wäre zeitlich und finanziell zu aufwendig. Die menschenleeren Einöden Westchinas und der Mongolei sind alleine vielleicht für Eremiten interessant, lösen bei mir aber höchstens Depressionen aus, zumal die wenigen humanen Wesen dort nicht Englisch sprechen werden. Also Indonesien, das vierte Land mit (sub)tropischem Klima und Traumstränden. Man merkt, wirklich begeistern kann ich mich noch nicht. Andererseits würde es mich, wie ich mich kenne, doch sehr wundern, wenn ich Indonesien nichts abgewinnen könnte.
Neben diesen wortwörtlich wegweisenden Entscheidungen leben wir uns auch ein wenig in Kathmandu ein. Tagtäglich überqueren wir das dümmste Freilichtmuseum der Welt, den Durbar Square. Man stelle sich vor, Berlin lässt den Alexanderplatz zum Weltkulturerbe erklären und verlangt von da an 10€ von allen Ausländern für das Betreten. Hier sind es zwar nur sechs, aber das macht die Sache bei einem zentralen Platz in der Inenstadt nicht eben besser. Glücklicherweise sind die Leute an den Kartenschaltern ziemlich nachlässig gestimmt und bis wir von der bescheuerten Regelung gelesen haben, bekamen wir von ihr gar nichts mit, obwohl wir sicher dreimal täglich über den Durbar Square gehen.
Sollte man sich aus deutscher Obrigkeitshörigkeit doch ein Ticket gekauft haben, lässt sich das pulverisierte Geld bei einem Einkauf in einem der hunderten Outdoorshops kompensieren. Die Fälschungen sind perfekt und kosten Bruchteile des Originalpreises. Es stellt kein Problem dar, eine North Face Jacke für 15€ zu bekommen oder einen Haglöffs Rucksack für 30. Es lohnt sich wahrscheinlich tatsächlich, mit wenig Ausrüstung nach Nepal zu kommen und dort einzukaufen. Abgesehen von den Shops verbringen wir die meiste Zeit in Cafés und Restaurants, von denen Kathmandu eine ausgezeichnete, wenn auch nicht ganz billige Auswahl hat. Vom Schnitzel über Momo bis zu Sushi gibt es alles, was man sich vorstellen kann. Absolutes Highlight für uns war wohl ein authentisch koreanisches Abendessen, bei dem am Tisch Fleisch und Gemüse gegrillt und mit einem Dutzend Beilagen kombiniert werden. Es ist lange her, dass ich wirklich absolut neuartiges Essen probiert habe. An diesem Abend war das zweifellos der Fall.
Doch nach fünf Tagen wird auch eine Stadt wie Kathmandu langweilig, besonders, da ein mehrwöchiger Trek lockt. Es ist entschieden, was zu entscheiden war und geplant, was zu planen war. Ab morgen sind wir auf Wanderschaft im Himalaya.

PS: Mit Rhythem konnten wir uns nur noch kurz am späten Vormittag vor ihrem Abflug treffen, da sie krank wurde. Eigentlich lacht man über so etwas nicht, aber wenn es gerade einer Inderin passiert, während drei hypochondrische Westler topfit sind, birgt das schon einiges an Ironiepotenzial.

Dienstag, 22. April 2014

Indien meldet sich

197. 20.4.2014

Nachdem wir uns unter den Zimmertüren Zettel zugeschoben haben, wie sich das für 18 bzw. 26-jährige gehört, begleitet uns Rythem heute zum Frühstück. Ich habe sie am Vortag zufällig im Durchgang unseres Hotels getroffen und sofort sympathisch gefunden. Sie kommt aus Delhi, wo sie für American Express arbeitet und hat für einen Kurzurlaub über ein verlängertes Wochenende Kathmandu gewählt.Wirklich außergewöhnlich daran ist, dass sie alleine reist, was durchschnittliche indische Eltern in den Wahnsinn treiben würde. Dank vieler Gesprächsthemen und ausgesprochen gemächlicher Bedienung zieht sich das Essen über zwei Stunden hinweg. Rythem wurde in Chandigarh in eine Brahmanenfamilie geboren, spricht hervorragend Englisch und lebt in Delhi alleine. Unsere Tagespläne sind jedoch vollkommen unterschiedlich, und so trennen wir uns und suchen die Tembas Trekkingagentur, die von einer Deutschen und ihrem Mann, einem ehemaligen Sherpa geführt wird. Praktischerweise haben wir hier Kontakte und werden ebenso umstandslos wie ehrlich mit Informationen versorgt. Während der Annapurna-Circuit auch ohne Guide kein Problem sein sollte, könnte die Dhampus Peak Besteigung aufgrund der momentanen Wetterverhältnisse (Schnee bis knapp 3000m) unmöglich werden. Letztendlich werden wir es während dem Trek überlegen und uns mitteilen müssen, dann wird die Besteigung spontan organisiert. Mit Kartenmaterial, vielen Infos und einem guten Gefühl gehen wir zurück nach Thamel, dem Touristenviertel Kathmandus. Eva unternimmt einige Erledigungen, was mit Leos Geburtstag am Folgetag zusammenhängen könnte, während wir beide uns auf die Suche nach der günstigsten Tibettour machen. Agentur um Agentur wird abgeklappert und dabei Preisunterschiede aufgedeckt, die einem die Haare zu Berge stehen lassen. Die Kosten rangieren von 550 bis 2000$ für genau dieselbe, einwöchige Tour. Die nächsten Tage wird dann wohl die Entscheidung fallen (müssen).
Nach zwei Stunden und etwa zehn Reisebüros erwarten wir Eva, Rythem und Saray (eine Spanierin, die Eva noch aus Kalkutta kennt) am Eingangstor des Kathmandu Guesthouse für ein großes, gemeinsames Abendessen. Die Wahl fällt auf Takali Kitchen, einem voll und ganz einheimischen Restaurant inmitten von teuren Touristencafés. Während des Essens entwickelt sich ein tolles Gespräch mit Rythem über ihre Herkunft, ihr Leben und Indien. Saray bleibt wegen unseres Sprechtempos leider ein wenig außen vor. Von der Takali Kitchen aus wird für den Nachtisch (Witz des Abends: Mein klassischer Versprecher, der daraus im Englischen Wüste macht) ein weiteres Restaurant aufgesucht und sich erneut festgequatscht, dieses Mal begleitet von Eiscreme. Als wir schließlich aufbrechen, ist es bereits halb zwölf und somit eine halbe Stunde bis zu Leos Geburtstag. Eva und ich nehmen unauffällig noch zwei Bier mit, bevor wir, zusammen mit Rythem, zurück zu unseren Hostels gehen. Sie ist uns mittlerweile so sympathisch, dass wir sie am Durbar Square dazu einladen, zu Leos Geburtstag zu bleiben. Erst zögerlich, dann sichtlich erfreut sagt sie zu und um zwölf Uhr sitzen wir mit zwei "Everest" Flaschen auf den Stufen einer der Tempel am Durbar Square und bleiben dort auch, zumindest für weitere zwei Stunden. Am Ende habe ich das Gefühl, als würden wir Rythem schon seit langem kennen und öfter zusammen unterwegs sein. Dies ist ihr erster Auslandsaufenthalt und sie gesteht, dass sie anfangs ziemlich große Probleme deswegen hatte (auch wenn es nur 1000km nach Delhi sind). Aber dank uns sei ihr Ausflug gerettet. Bei so viel Bauchpinselei können wir natürlich nicht anders, als sie auch zum Geburtstagsfrühstück am nächsten Morgen einzuladen, bevor wir um zwei unser eigenes Zimmer erreichen und binnen kürzester Zeit in unseren Betten liegen.

Sonntag, 20. April 2014

Trinität

196. 19.4.2014

Von der Sonne geweckt betrachten wir Kathmandu zum ersten Mal bei Tageslicht. Da alle Häuser etwa gleich hoch sind, reicht der Blick nicht allzu weit, aber was man sieht, macht neugierig. Die Stadt wirkt aus der Zeit gefallen, im positiven Sinn. Verzweifelte Monumente und möchtegernmoderne Symbolbauten wie in anderen Entwicklungsländern sucht man hier vergeblich, stattdessen hat Kathmandu Homogenität bewahrt. Für heute stehen nur Alltagserledigungen an: Zimmersuche, Geldwechsel, Hemd nähen lassen (mal wieder) und Leo abholen. Leo ist eine Freundin von Eva, die vor kaum zehn Tagen spontan beschlossen hat, dass Studium zu prokrastinieren und uns auf unserem Trek zu begleiten. Auf diese Entscheidung hat sie Taten folgen lassen, weswegen wir jetzt am Flughafen auf sie warten. Zwei Stunden nach geplanter Ankunft erscheint sie in der Arrival-Halle des putzigen Flughafens und wird von einer kindlich begeisterten Eva in Empfang genommen. Der Rest ist schnell erzählt, wir kehren gemeinsam zurück in unser unterdimensioniertes Hotelzimmer, dass nach wie vor keinen Strom hat (in Kathmandu gibt es immer noch täglich stundenlange Unterbrechungen in der Versorgung) und von dort aus vermeintlich nepalesisch essen. Zu mehr als Momos und Thupka (das Fast Food unter den einheimischen Gerichten) reicht es zwar nicht, aber lecker sind auch die. Außerdem kann man sich hier ein Bier zum ersten Mal seit Diu wieder ohne schlechtes Gewissen leisten.

Samstag, 19. April 2014

Keine Langeweile

195. 18.4.2014

Nach einer halben Stunde finde ich eine freie Liege für uns (der Jeansindikator hat sich wieder einmal bewiesen, die junge Inderin, die ich gefragt habe, verstand unsere Situation sofort und hat versucht zu helfen). Eine Liege wohlgemerkt. Doch zu irgendwas muss es ja gut sein, wenn Eva und ich so dünn sind. Trotzdem halte ich die Behauptung, Löffelchenstellung sei eine wunderschöne, romantische Erfahrung, für frei erfunden. Vielleicht von Indian Railways mit ihrer "Shared Berth Policy". Wir schaffen es zwar, uns irgendwie auf die Liege zu quetschen, aber Schlaf finde ich (im Gegensatz zu Eva) so schnell keinen. Das nutzt der Schaffner dazu, mich gestikulierend und mit Taschenlampe zum Bakschisch zahlen aufzufordern. Da er rein gar nichts getan hat, um uns ein Bett zu organisieren, spiele ich den ahnungslosen, dummen Westler und werde dabei immer lauter, bis er nervös abwinkt. Kurz darauf entdeckt Eva, dass eine weitere Liege frei geworden ist und wir schlafen immerhin vier Stunden, bevor wir in Gorakhpur ankommen. Von dort sind es weitere zweieinhalb Stunden bis zur Grenze, die an unseren Nerven kratzen, da laut Reiseführern die letzten Busse nach Kathmandu auf nepalesischer Seite um elf Uhr abfahren. Eine halbe Stunde nach diesem Ultatum stehen wir an der Grenze und lassen uns ausstempeln. Auf der Gegenseite erwartet uns zwar keine andere Welt, zumindest aber eine andere Atmosphäre. Schlagartig halbiert sich die Anzahl der Menschen, von den Fahrzeugen ganz zu schweigen. Das Beste: Kein Lärm und kaum Dreck. Nur der plötzliche Temperaturabfall um 15 Grad, den wir uns verschwitzt bis durchnässt auf indischer Seite gewünscht hatten, tritt leider nicht ein. Nach unproblematischer Visabeschaffung, bei der die Grenzpolizisten einen sympathischen Vorgeschmack auf die angeblich nettesten Menschen dieser Welt geben, wird uns ein Shuttle Service nach Kathmandu in einem Transporter für umgerechnet 7,50€ angeboten. Das muss man sich einmal vorstellen! Natürlich finden wir einen günstigeren Bus mit leidlich ausreichender Beinfreiheit für etwa 4€ pro Person. Die vermeintlichen fünf Stunden Fahrzeit können wir angesichts der sechs Stunden, die der Shuttle benötigt hätte, nicht ganz glauben, aber dass es gleich elf werden, hätten wir auch nicht erwartet. Nach mehreren Reifenpannen, einigen netten Bekanntschaften, einem super Abendessen und körperlich bewegenden Straßenverhältnissen kommen wir um halb eins nachts in Kathmandu an - und haben nichts bemerkt. Es ist dunkel. Nicht Großstadt-in-der-Nacht-dunkel, sondern finster. Die Hauptstadt Nepals hat nach wie vor keine Straßenbeleuchtung, nirgends. Hin und wieder zischen Autos vorbei, ansonsten gibt es keine Lebenszeichen. Dieses eine Mal wäre ich froh gewesen über ein nervtötendes Heer von Schleppern. Eines der vorbeifahrenden Autos stellt sich schließlich als Taxi heraus und nimmt uns mit ins Stadtzentrum. Auch hier, abgesehen von zwei Straßenzügen, Dunkelheit und Menschenleere. Außerdem kein einziger freier Raum, alles voll bzw. abgeschlossen und verriegelt. Eva läuft schließlich in eine dunkle Nebengasse, aus der ich sie schon zurückholen will, als sie unsere Rettung in Form eines Hotelboys findet. Auch dieser hat wie alle anderen kein Zimmer mehr, bietet uns aber an, auf seiner Dachterasse zu übernachten. Zuerst zögerlich, dann aber mehr und mehr begeistert von dieser Idee, schaffen wir unsere Rucksäcke hoch. Das Bettzeug müffelt ein wenig, aber was sollen wir nach vierzig Stunden in Bussen und Zügen bei Temperaturen um 35 Grad sagen? Wir haben den Himmel über uns und eine ausgestorbene, lichtlose Millionen- und Hauptstadt um uns, während wir innerhalb von Minuten in tiefen Schlaf sinken.

Abschiedsstimmung

194. 17.4.2014

Wie verbringt man den letzten von 116 Tagen in Indien?
In unserem Fall ziemlich profan in verschiedenen Cafés beim Zeit überbrücken, bis die Temperaturen Aufenthalte im Freien wieder zulassen. Das letzte indische Abendessen ist südindisches Street Food in den Gassen Varanasis, sodass ich noch einmal zu meinem geliebten Dosa komme, das hier nordindisch mit Zwiebeln, Tomaten, Cashews und Erbsen kombiniert wird. Unschlagbar im Preis-Leistungs-Verhältnis. Weiter zu Blue Lassi, um sich auch in dieser Sache gebührend verabschieden zu können. Mit den Wegwerftonbechern sitzen wir zwei oder drei Stunden an den Verbrennungsghats, reden, skypen und schweigen, bis der penetrante Geruch nicht länger auffällt und sogar Gruppen indischer Männer uns kommentarlos akzeptieren  und ignorieren. Gegen Mitternacht fahren wir per Fahrradriksha zum Bahnhof, in der Hoffnung auf verbliebene Plätze in der Sleeperklasse des Zuges nach Gorakhpur. Mit einem General Ticket (2. Klasse - unreserviert und zu billig um wahr zu sein) werden wir ins Abteil geschickt - wir sollen uns umhören.

Donnerstag, 17. April 2014

Rund um Delhi

192. 15.4.2014

Unerbittlich erinnert uns der Handywecker nach fünf Stunden Schlaf um halb neun, dass wir noch einiges in Delhi vorhaben. Zuerst wäre da das Frühstück im Indian Coffee House mit dem womöglich letzten Kaffee und Dosa. Obwohl Teetrinkerin und an Süßes am Morgen gewöhnt, ist auch Eva zufrieden mit dieser altehrwürdigen Institution unter den Kettenrestaurants. Vom Connought Place aus starte ich einen zweiten Versuch den Lotustempel der Baha'i zu besichtigen, dieses Mal mit Erfolg. Im Inneren des architektonischen Geniestreichs ist es angenehm kühl (mittlerweile ist es wirklich heiß geworden in Delhi, um die 35ºC) und nur die unstimmige Sitzmöblierung kratzt an dem Bild von Ruhe und Eingängigkeit. Im Tempel darf jeder zu allem beten, was er oder sie für göttlich hält, da die Baha'i der Ansicht sind, alle Religionen bezögen sich letztlich auf ein und denselben Gott. Gleich neben dem Lotustempel befindet sich der hinduistische ISCKON Tempel, der, wie ich das verstehe, zu einer Art Kette von Tempeln gehört. Die Kommerzialisierung der Religion übertrifft sich hier selbst, es gibt Jahresmitgliedschaften, einen Souvenirshop und ein Dreierpaket mit einem Bhagavadgitafilm, einem Hindu vs. Roboter Film (richtig gelesen!) und einer Führung durch den Tempel. Dieser ist zu dem Zeitpunkt aber sowieso geschlossen. Wir fahren stattdessen wieder in Richtung Stadtzentrum und stoppen dabei an der riesigen Nationalgalerie für moderne Kunst, für die wir, mal wieder, viel zu wenig Zeit haben. Etwas gehetzt schaffen wir immerhin die drei Stockwerke des Hauptflügels, bevor wir wegen der anstehenden Zugfahrt weiter müssen. Am Connought Place wollte ich noch schnell mein altes, mittlerweile theoretisch geflicktes Hemd wie ausgemacht abholen, leider hat man dort noch keinen müden Finger bewegt. Kann ja gar nicht sein, dass irgendjemand es wirklich so eilig hat. Innerhalb von zehn Minuten näht man die Flicken so schlampig auf das Hemd, dass ich es auch gleich selber hätte machen können. Zum Beschweren bleibt aber gar keine Zeit mehr (zumal das neu angefertigte Hemd dafür wirklich gelungen war), denn wir haben noch eine Stunde bis zur Abfahrt und ich ziemlich Hunger. Eva hechtet zum Hotel, ich zu Subway, wo sich Delhi standesgemäß von mir verabschiedet - der Verkäufer versucht mich zu betrügen. Die Sache ist offensichtlich und schnell geklärt, im Anschluss treffen Eva und ich uns im Hotel und können aufatmen, da noch genug Zeit vorhanden ist, um in aller Ruhe zum Bahnhof zu laufen. In unserem trotz Sitzplatzreservierung überfüllten Zug teilen wir unser Compartment mit vier netten, aber nicht des Englischen mächtigen Japanerinnen, während die Inder nach und nach vom Schaffner verscheucht werden. Auf nach Varanasi!

Hitzschlag

193. 16.04.2014

Um sieben wache ich endgültig aus meinem wie gewöhnlich unruhigen Sleeper-Schlaf auf, eineinhalb Stunden später und eine Stunde zu spät kommt der Zug in Varanasi an. Schon um halb neun ist die Hitze penetrant, mittags steigt das Thermometer auf über 40ºC. Das sei noch gar nichts, meint unser Hostelbesitzer, in einem Monat könne man tagsüber kaum mehr sein Haus verlassen. Wir tun es und bringen unseren Flüssigkeitshaushalt auf dem Weg zu einem ganz bestimmten, von Eva ausgesuchten Café, völlig durcheinander. Da dieses AC hat und die Hitze tödliche Dimensionen annimmt, verlassen wir es erst gegen sechs, um an den Ghats zurückzuschlendern. Währenddessen haben sich immerhin unsere Vorstellungen der Weiterreise nach Nepal konkretisiert, aber feststehen wird der Plan erst nachdem wir in Kathmandu angekommen sind.
Wir passieren auf dem Rückweg mehrere ausbrennende Scheiterhaufen, eine Bestattung bekommen wir aber nicht zu Gesicht. Beim Abendessen treffen wir schließlich auf Elena und Laura, zwei Architekturstudentinnen aus Amsterdam, die Eva bereits in Jaisalmer bei einer Kameltour kennengelernt hat. Sie haben zuvor zwei Monate an einem Bauprojekt in Ahmedabad mitgewirkt und jetzt noch einige freie Tage bevor sie zurückfliegen. Vor dem zu Bett Gehen steht natürlich noch ein Besuch bei Blue Lassi an, der ein hohes Suchtpotential, insbesondere bei Eva, zu entfalten scheint.

Montag, 14. April 2014

Outsourcing

191. 14.4.2014

Höchste Priorität für mich und hat an diesem Morgen die Organisation der Zugfahrt nach Varanasi am Folgetag, da diese Route Wochen vorher ausgebucht ist und Tickets schwer zu bekommen sind. Dieses Mal lohnt es sich, dass wir Ausländer sind, denn so kommen wir in den Genuss einer der unzähligen Quoten und zahlen den Normaltarif für unser Ticket. Anschließend frühstücken wir mit Katha im altbekannten Backpackerrestaurant um die Ecke. Danach beratschlagen wir über den Tag, der Kathas letzter in Indien ist (sie fliegt zurück nach Deutschland, aber auf sie wartet dieses Jahr noch Bolivien). Gewürze werden gekauft, notgedrungen einige Postkarten abgegeben und Rucksäcke vorbereitet. In Ermangelung von Alternativen (Montag ist in der neue Sonntag in Indien) besuchen wir das Hipsterviertel Neu-Delhis, Haus Khaz. Ich wusste vorher nichts über Hipster in Indien, geschweige denn ganze Viertel in denen sie sich ausleben, aber in den sauberen Marktgassen flankiert von Boutiquen, Recycling-Stores und Vintageposterverkäufern fühlt man sich tatsächlich versetzt zum Hackeschen Markt oder nach Kreuzberg, nur das hier nicht der Schnauzer, sondern im Gegenteil die rasierte Oberlippe für Alternativität steht. Wir sehen uns ein, zwei Galerien an, ich kaufe einen weiteren Reiseführer und spiele mit dem Gedanken, mir eine alte Bollywoodschallplatte zu erwerben, bis die Frage des Transports auftaucht. Schade.
Zurück am Connought Place, dem Herzen Delhis, folgt die Enthüllhng meines in Auftrag gegebenen, maßgeschneiderten Hemdes. Der Schneider hat gute Arbeit geleistet, den Schnitt meines Lieblingshemds perfekt übernommen und sogar Details wie den kontrastfarbenen Stoffstreifen an der Knopfleiste oder eine überlappende Naht an der Hüfte kopiert. Muss viel Arbeit gewesen sein und ist allemal 12€ wert. In der Nähe des Ladens befindet sich der nach einhelliger Meinung beste Inder Indiens, das Zaffran Restaurant. Nicht gerade billig, aber jede Rupie wert, besonders für ein Abschiedsabendessen. Danach legt sich Katha noch einmal schlafen. Ihr Flieger geht mitten in der Nacht und morgen, beim Zwischenstopp in den Emiraten, wird sie sich mit der anstrengenden Tagesmission konfrontiert sehen, einen ganzen Tag in Dubai shoppen gehen zu müssen. Um halb zwei wird sie vom Taxi abgeholt und es herrscht traute Zweisamkeit - für vier Tage, dann kommt Leo auf einem spontanen Trip nach Kathmandu um mit uns zu trekken. Aber das ist eine andere Geschichte...

Auf ins Altbekannte

190. 13.4.2014

Eva und Katha geben nicht auf und versuchen ihr Glück bei einem anderen Ashram. Dieses Mal handelt es sich um Yoga statt Meditation (wobei sich beides hier sehr ähnelt) und findet von halb acht bis halb zehn Uhr morgens statt. Ich nutze dieses Vorhaben, um auszuschlafen, gemütlich ein Kaffee aufzusuchen und dort zu lesen und neue Musik anzuhören. Um dreiviertel zehn stoßen die beiden hinzu und wir frühstücken gemeinsam bei stürmischem Wetter. Über Nacht hat es sich von strahlendem Sonnenschein und Hitze zu orkanartigen Böen, wie der Wettervorhersagemann im Fernsehen sagen würde, gewandelt, ich dagegen bin meiner T-Shirt / Jeans Kombination treu geblieben. Dementsprechen kalt ist mir, bis der nette Sohn des Besitzers eine Decke bringt. Die Zeit bis zur Busfahrt nach Delhi bzw. Haridwar überbrücken wir in einer Art Multigottheitentempel, dessen attraktivstes Merkmal die gute Aussicht von der Spitze ist. Zum Busbahnhof Rishikeshs quälen wir uns zunächst eine Viertelstunde auf der mit Kühen, Menschen und Rollern vollgestopften Hängebrücke, dann in einer überbelegten Riksha. Immerhin sitzt Katha so noch einmal unbequem auf meinen Schoß und wir können gemeinsam in Nostalgie über die kenianischen Matatus schwelgen, in denen dieser Zustand Normalität war.
Schon nach einer Stunde Busfahrt legen wir eine lange Pause in Haridwar ein. Eva ist versessen darauf, einmal ein Paper Dosa (1,20m Durchmesser) zu probieren, dass hier im "Dosa Plaza" erhältlich ist. Außer seiner Größe unterscheidet es nichts von einem normalen Dosa, aber es ist sehr fotogen einen Reispfannkuchen in der Größe der dafür nicht vorhandenen Tischdecke vor sich zu haben.
Gesättigt fahren wir weitere sieben Stunden nach Delhi, da die Zufahrtsstraßen vom Wochenendausflüglerverkehr vollkommen verstopft sind. So schaffen wir es nicht mehr, die Metro von der Bushaltestelle zu nehmen, sondern müssen uns auf eine Rikshafahrt einlassen. Unsere Befürchtungen, einem halsabschneiderischen Fahrer ein Vielfaches des Normalpreises zahlen zu müssen (Night tariff! Local price!), stellen sich glücklicherweise als unbegründet heraus, da es in der Nähe einen Prepaidschalter mit Preisaushang gibt. Mitten in der Nacht kommen wir bei unserem Hotel an, dessen Besitzer mich sogar noch von meinen letzten Aufenthalt kennt und mit Handschlag begrüßt. Umstandslos, sieht man von dem wie immer bürokratischen Check-In ab, bekommen wir unser gewohntes Zimmer und schlafen kurz darauf.

Sonntag, 13. April 2014

Ritt auf Mutter Ganges

189. 12.4.2014

Der Hektik, die wir uns machen, um pünktlich um zehn am Startpunkt der Rafting Tour stehen zu können, stellt sich, eigentlich zu erwarten, als vergebens heraus, denn vor halb elf bewegt sich hier gar nichts. Dann kommt ein Geländewagen mit Schlauchboot auf dem Dach und gabelt uns drei und weitere sechs Inder aus Delhi auf einer Art Befriebsausflug auf. Nach einer knappen Stunde parallel zum Ganges halten wir und lassen das Boot zu Wasser. Im Vergleich zu meiner letzten Raftingtour vor zwei Jahren wirken die Bootsführer dieses Mal um einiges unbeholfener und unsicherer, allerdings sind die Stromschnellen auch etwas harmloser. Riesenspaß macht es so oder so. Getrübt wird die Tour von einem Paddel, dass mir einer der Bootsführer voll in die Fresse schlägt (die Ausdrucksweise ist hier angebracht), sodass ich auch mal wie ein Boxer vor dem technischen KO Blut spucken kann. Glück im Unglück: Bis auf einen kleinen Splitter fehlt meinen Zähnen nichts.
Das letzte Stück der Tour treiben wir fast ausschließlich mit unseren Rettungswesten im Wasser, das hier um die 17 Grad kalt ist, weswegen wir danach für längere Zeit mit den Zähnen klappern. Da wir bereits um zwei zurück sind, suchen wir uns nach einem Nachmittagssnack einen abgelegeneren Strand zum Entspannen. Eva lässt sich - nach reiflicher Überlegung - nicht davon abhalten, in Unterwäsche ins Wasser zu gehen. Während der Einstieg noch ziemlich leicht vonstatten geht, behindern beim Heraussteigen die halbminütlich passierenden Raftingboote mit gaffenden Indern erheblich. Mehr schlecht als recht getimed sprintet sie zwischen zwei Gruppen aus dem Wasser in den Schatten des nächsten größeren Steins und buddelt sich dort ein, bis sie getrocknet ist.
Der Tag endet mit einem sehr indischen Abendessen, da Katha Indien kulinarisch noch einmal intensiv in sich aufnehmen will, bevor sie es verlässt. So gut habe ich allerdings schon lange nicht mehr einheimisch gegessen. Und am wenigsten hätte ich es von einem der omnipräsenten Multi-Cuisine Backpacker Restaurants erwartet.

Samstag, 12. April 2014

Wassersport

188. 11.4.2014

Wo Eva ist, herrscht Disziplin beim Aufstehen. Um acht klingelt der Wecker, auch wenn wir heute nichts Konkretes vorhaben. Also erst einmal in Ruhe frühstücken. Rafting sollte für den nächsten Tag organisiert werden, und wenn man schon in Rishikesh ist, auch eine Meditations-/Yogastunde (nicht so sehr aus Sicht des Autors). Wir verbinden einen Spaziergang durch "Rishikesh" (eigentlich handelt es sich um einen vorgelagertes Touristendorf) mit dem Abklappern von Raftingagenturen. Nach einigen Besuchen haben wir herausgefunden, dass die Tagestour mittlerweile verboten wurde, weil sie Stufe 5 Stromschnellen enthält, in denen im Vorjahr zwei Touristen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen umkamen (Zum Vergleich: Stufe 6 ist die höchste und gilt als unnavigierbar, auch für Profis). Aber eine nette Halbtagestour gibt es, günstig obendrein. Nachdem diese gebucht ist, machen wir Mutter Ganges am Flussstrand direkt unsere Auswartung. Die erste sportliche Schnapsidee in einer Folge von vielen, die Eva und ich gemeinsam haben werden, da bin ich mir sicher, stammt von ihr. Der Ganges hat zwar eine beachtliche Strömung, ist aber höchstens hundert Meter breit, warum also nicht mal ans andere Ufer schwimmen. Gesagt, getan. Die Machtlosigkeit angesichts der Wassermassen sowie der Umstand, dass zweihundert Meter weiter unten sehr unangenehm aussehende Stromschnellen beginnen, versetzen mich kurz in Panik, aber recht schnell erreichen wir wieder ruhige Gewässer und können uns an den Strand treiben lassen. Derart motiviert, wenn auch etwas zittrig vom Hochgebirgswasser klettern wir am Ufer hundert Meter flussaufwärts, um den Rückweg anzutreten. Das funktioniert anfangs tadellos, bis plötzlich die Strömung rapide zunimmt und wir keinen Meter mehr vorankommen. Dieses Mal etwas panischer treten wir den Rückzug an und schaffen es erneut zu dem Strand, während Katha sich auf der gegenüberliegenden Seite zum ersten Mal in die Strömung traut und von deren Gewalt überrascht zu sein scheint. So sehr, dass sie zunächst vergisst, umzukehren und auf die Stromschnellen zutreibt. Sie fängt sich aber wieder und kommt rechtzeitig ans Ufer. Uns bleibt zur Überquerung nur der "Walk of Shame" durch die Dorfstraße, Eva in Top und Badeshorts, ich oberkörperfrei und mit Boxershort bekleidet. Ich bin gespannt, mit welcher Dummheit wir uns als nächstes selbst beweisen müssen.
Kontrastprogramm am späten Nachmittag ist ein Meditationskurs in einem Ashram, zu dem ich genötigt werde. Die Ichfindung manifestiert sich in schnellem, intensivem Ein- und Ausatmen, kombiniert mit sich wiederholenden Körperbewegungen. Eine Art Speed-Yoga also. Das kurze High nach jeder der Übungen ist wohl auf akuten Sauerstoffmangel wegen der unnatürlichen Atmung zurückzuführen. Das würde auch die kribbelnden Extremitäten erklären. Da es umsonst ist bzw. auf Spenden basiert, bin ich ganz zufrieden, es mal probiert zu haben. Meine Erleuchtung bleibt dennoch auf unbestimmte Zeit verschoben.

Freitag, 11. April 2014

Wiederwiedersehen

187. 10.4.2014

Der Vormittag ist von Motivationslosigkeit geprägt, einzig für ein Frühstücksdosa verlasse ich mein Hotelzimmer. Viel gibt es in Haridwar nicht zu sehen und die von Religiösität geprägte Atmosphäre tritt wenn dann erst nach dem Abklingen der Mittagshitze zutage. Um zwölf muss ich allerdings mein Zimmer räumen, und so beschließe ich, dem auf einem Berg in der Nähe gelegenen Hindutempel einen Besuch abzustatten. Hätte ich besser mal gelassen. Ich weiß nicht, ob dieser Tempel ein besonders schlimmer Fall ist oder ich seit dem goldenen Tempel neue Maßstäbe anlege, aber das bunte Treiben hier hat mit meiner Ansicht von Kontemplation so viel zu tun wie eine Kneipentour. Jesus würde amoklaufen angesichts der Händler und Verkäufer überall. Im Inneren geht es auf dieselbe Art weiter. Göttliche Gnade gegen Geld. Dreckig und voll ist es sowieso, wobei Inder, sobald sich eine Schlange bildet, beginnen zu drängeln (vermutlich durch Bus- und Zugfahrten konditioniert). Ich bin froh aus dem Tempel herauszukommen und steige den Berg herab zum Ganges. Seine Badeghats sind der eigentliche Grund für Haridwars Popularität als Pilgerort, denn wer hier in den Ganges steigt, wäscht sich frei von all seinen Leiden. Da sagt der Hindu nicht nein und da es hier ca. eine Milliarde davon gibt, ist einiges los am Ufer. Die Szene erinnert an ein Freibad am ersten heißen Sommertag. Obwohl die meisten von ihnen kaum schwimmen können, genießen die Leute das Bad im hier noch sauberen und kalten Ganges sichtlich. Für mich geht es weiter ins 25km nördliche Rishikesh, wo die Beatles in den 60ern erleuchtet wurden und damit die Eso-Indien Welle losgetreten haben. Noch immer findet sich hier wohl die höchste Dichte an Yoga-Kurslern, Meditierenden und Erlösungssuchenden. Die lange Suche nach der richtigen Unterkunft lohnt, ich entscheide mich für ein geräumiges Zimmer mit Gangesfensterfront. Fehlen nur die zwei Mitbewohnerinnen. Nach über 24 Stunden Zug-, Metro- und Busfahrten kommen Eva und Katha um sieben Uhr aus dem fernen Jaisalmer an. Nach zwölf Tagen haben wir uns wieder.
Wer wissen will, was die beiden während der letzten zwei Wochen in Rajasthan getrieben haben, sollte mal diese Website in Augenschein nehmen:
http://missbuttermilk.tumblr.com/

Fotos: Tempel oder Marktplatz? Warum nicht beides?

Mittwoch, 9. April 2014

Zeitdruck

186. 9.4.2014

Es ist zum Heulen. Interessante Museen gibt es kaum in Indien, für gewöhnlich sieht man verstaubte Exponate mit seitenlangen Textbeiträgen in einem technokratischen Stil, gegen den Wikipedia ein Thriller ist. Chandigarh dagegen hat mit dem Kunst- und dem Architekturmuseum zwei wirklich lohnenswerte Ausstellungen, ich aber keine Zeit. Um zwölf muss ich aus dem Hotel sein und bis eins im Bus nach Haridwar sitzen, wenn ich nicht mitten in der Nacht ankommen will. Die Museen öffnen selbstredend erst um zehn. Fünf Minuten zuvor werde ich hineingelassen und bleibe wider besseren Wissens für eineinhalb Stunden im Architekturmuseum. Darin geht es nicht um Architektur im Allgemeinen, vielmehr sollte es Stadtentwicklungsmuseum heißen. Von der Notwendigkeit über die Idee, erste Konzepte und Planungen bis zur Einweihung Anfang der 50er Jahre wird die Entwicklung Chandigarhs nachgezeichnet. Wichtigster Befürworter und quasi Schirmherr dieser fremdartigen Neuschöpfung war Jawaharlal Nehru, der Konrad Adenauer des unabhängigen Indiens. Auch waren die ursprünglichen Pläne weniger konsequent bei der Geometrisierung der Stadt, erst Le Corbusier entwickelte (nach drei Jahren) die rechtwinkligen Sektoren als Mikroeinheiten.
Die Aufenthaltsdauer im Kunstmuseum fällt entsprechend kurz aus. Dem Eindruck nach ist aber nicht weniger interessant. Der Rundgang ist historisch angelegt, von religiösen Skulpturen über die Profilzeichnungen der Mughal-Epoche bis zu postmodernem Abstraktionismus. Was auffällt ist, dass sich die Kunst global angleicht. Zumindest könnte ich bei den zeitgenössischen Bildern nicht mehr auf Herkunft schließen. Eine Eigenheit bleibt höchstens noch der verstärkte Symbolismus gegenwärtiger indischer Künstler, aber vielleicht kommt mir das auch nur so vor, weil ich Allegorien aus unserem Kulturkreis besser deuten kann.
Über die 200Rs, die mein Rikshafahrer für die übereilte Rückfahrt zum Hotel von mir fordert, muss er selbst grinsen, nachdem ich bereits in schallendes Gelächter ausgebrochen bin (es werden 40). Vom Hotel zum Busbahnhof sind es keine 500m, sodass ich tatsächlich einen Bus um eins erwische. Der erreicht Haridwar nach haarsträubender Fahrt mit beinahe kenianischen Straßenverhältnissen gegen acht. Das Beste kommt zum Schluss, zumindest heute, und zwar in Form eines großen sauberen Zimmers mit Bad für 200Rs. Davon kann sich Chandigarh mal eine Scheibe abschneiden.

Versöhnung

185. 8.4.2014

Ich war ein wenig gemein zu Chandigarh und möchte mich entschuldigen. Der Unterzucker und das Hoteldesaster haben meine Stimmung nachhaltig vermiest. Nicht so diesen morgen. Auch wenn ich 40 Minuten dafür brauche, schließlich habe ich das Indian Coffee House gefunden. Durch ihr Mobiliar, das in jeder Filiale aussieht, als wäre es aus Kolonialrestbeständen zusammengeklaubt, weiß man bei dieser altehrwürdigen Fast-Food Kette nie, ob sie vor der Insolvenz steht oder eine besondere Vorstellung von Charme hat. Ersteres wäre extrem schade, denn abgesehen davon, dass es in Nordindien der einzige Ort ist, wo ich vernünftige Dosas zum Frühstück bekomme, haben sie auch sehr faire Preise und ein Publikum vom jungen, gegelten ITler mit zwei Smartphones auf dem Tisch bis zu kaffeeschlürfenden Opas mit Gehstock. Nach einem Masala Dosa besuche ich ausnahmsweise mal das Touristenbüro, da man für Chandigarhs Hauptattraktion, das von Le Corbusier konzipierte Regierungsviertel, theoretisch einen Einladungsbrief benötigt. Von dem Angestellten erfahre ich, dass heute ein gesetzlicher Feiertag ist. Da diese für Privatunternehmen nicht verbindlich sind, kriegt man davon nicht unbedingt etwas mit. Im Übrigen wurde heute Rama, eine Inkarnation von Vishnu, geboren. Jedenfalls kriege ich weder einen Brief noch Zutritt. Theoretisch. Nachdem mein Weg mich über Kilometer durch gepflegte, grüne Parks geführt hat (mit markierten Joggingstrecken - unvorstellbar!), statte ich dem Viertel doch einen Besuch ab und werde von den Polizisten an der Zugangsschranke sofort hereingewunken. Ein wenig freundlicher Smalltalk und vergessen sind die umständlichen Regularien. Im Inneren wollen Polizisten und Soldaten meinen Brief noch mehrmals sehen, aber jedes Mal geben sie sich auch mit einer Entschuldigung sowie einigen Sätzen über meine Herkunft zufrieden. Wenn in Indien Offizielle irgendeinen Schein von Touristen verlangen, wollen sie im schlimmsten Fall etwas Bestechungsgeld, im Normalfall einfach nur quatschen. Die Regierungsgebäude selbst finde ich nebenbei gesagt potthässlich, aber bei Corbusier, also Brutalismus, hatte ich auch mit nichts anderem gerechnet. Eisenbetongrau wohin man blickt, umso deplatzierter, da von einer Parkanlage umgeben. Das kommt davon, wenn man meint, alles supereffizient separieren zu müssen. Weiter geht es in den Rock Garden, eine Fantasiewelt mit interssanter Geschichte. Aufgebaut wurde er von Nek Chand fast im Alleingang während der 60er und 70er Jahre. Dieser floh während der Teilung aus dem designierten pakistanischen Teil des Punjabs nach Chandigarh, wo seine Eltern kurz darauf verstarben. In seinem Beruf als Straßeninspektor begann er, Müll zu sammeln und ihn in einem abgelegenen Waldstück mit Zement zu Skulpturen und Landschaften zu formen. Als er aufflog, stand sein Projekt kurz vor dem Aus bzw. Abriss, letztendlich konnte er die Stadtverwaltung dann aber überzeugen, seinen Rock Garden nicht nur zu erhalten, sondern auszubauen. Heute ist er eine der Hauptattraktionen Chandigarhs, und das vollkommen zurecht.
Unweit davon ist ein künstlicher See gelegen, umgeben von einem weiteren Park. Mit all den Joggern um mich werde ich halb verrückt und beginne schon nervös mit den Füßen zu trippeln. Was würde ich für meine Laufschuhe geben! Von hier fahre ich mit dem Bus unkompliziert zu meinem Hotel zurück und habe meine Meinung über die Stadt doch noch revidiert. Sie ist zwar unstimmig, unindisch und irgendwie falsch, aber gleichzeitig, grün, ruhig und neben Bangalore das lebenswerteste Plätzchen auf diesem Subkontinent, das ich bisher entdecken konnte.

Dienstag, 8. April 2014

Geteiltes Leid

http://newaskarsoniya.blogspot.in/2014/04/an-open-letter-to-policeman-high-court.html?m=1

I don't normally share stuff on this blog, but when I do, you definitely should read it.

Offener Brief einer Bekannten aus Pune an die staatlichen Behörden. Es geht um das leidige Thema Vergewaltigungen, Anlass ist ein besonders brutaler Fall in ihrer Heimatstadt.

Montag, 7. April 2014

Wo bin ich gelandet?

184. 7.4.2014

Nach einem erneut geschmacklosen Frühstück mache ich mich auf den Weg zum Bahnhof. Das Wetter macht mir den Abschied mit Regen und Temperaturen im einstelligen Bereich leicht. Die Zugfahrt ist halb so schnell und doppelt so teuer wie dieselbe Strecke via Bus, aber hier ist eindeutig der Weg das Ziel. An nicht enden wollenden Berghängen verläuft die schmale Trasse auf wundersame Weise fast geradeaus, das Gefälle ist minimal. Umso mehr Kurven, Tunnel und Brücken gibt es, sie gehen in die Hunderte und sorgen dafür, dass der Zug selten 30km/h erreicht. Um vier, nach fast sechs Stunden Fahrt, komme ich in Kalka an, von wo man noch einmal eine Stunde Bus nach Chandigarh fährt. Die Stadt ist, das wird schon beim Hineinfahren klar, die bizarrste, die ich in diesem Land bisher gesehen habe. In den 50er Jahren von Le Corbusier komplett am Reißbrett entworfen, erweckt sie den Eindruck einer Trotzreaktion auf die Probleme anderer indischer Städte. Schon auf der Karte fällt die Sektoreneinteilung mit rechtwinklig zueinander verlaufenden Avenues auf. Wenn man dann noch auf den Maßstab der Karte blickt, erlebt man sein nächstes Wunder: Die Ausmaße der Stadt sind gewaltig. Ein Sektor misst geschätzt 1,5x0,8km und es gibt 50. Damit dürfte Chandigarh die einzige Autostadt Indiens sein. Für den Großteil der Bevölkerung ohne motorisierten Untersatz macht das Raumkonzept, nachdem die Sektoren Funktionen wie Wohnen, Arbeiten, Einkaufen usw. zu erfüllen haben, jedoch denkbar wenig Sinn. Außerhalb der Kernsektoren dominiert Grün und die Betonbauten werden in den Hintergrund gedrängt. Was ich in Europa gutheißen würde, passt hier einfach nicht. Obwohl die Einwohnerdichte mehr als doppelt so hoch wie die Berlins ist, wirkt Chandigarh leblos. Die Kontraste steigern sich ins Unermessliche, als ich aus Preisgründen zum ersten Mal eine Fahrradriksha zu meinem (vorgesehenen) Hotel nehme. Auf einem antiqierten Drahtesel lasse ich mich durch "Indiens Traum von der Moderne" (Zitat Reiseführer) fahren. Es soll der Beginn einer Odysee sein, die ich teilweise schon befürchtet hatte. Wie bereits erwähnt, sind die Hotelpreise in Chandigarh für hiesige Verhältnisse unverschämt. Es gibt aber durchaus Ausnahmen, meist in staatlicher Hand oder gemeinnützug. Hier kommt aber ein neues Problem hinzu. Diese Unterkünfte nehmen häufig keine Ausländer auf, weil der bürokratische Aufwand dafür zu hoch ist (wer schon einmal das Formular beim Check-In gesehen hat, weiß, was ich meine). Ich verbringe zwei Stunden in fünf Hotels in drei Sektoren, die allesamt "occupied", "full" und "booked out" sind. In einem Dharamsala gesteht man mir immerhin, das Ausländer durch die Regulierungen einfach eine zu komplizierte Angelegenheit seien. Frustriert gehe ich zum billigsten Hotel aus meinem Reiseführer, 15€, so viel, wie ich sonst an einem ganzen Tag ausgebe. Doch 20m vor dessen Eingang werde ich aus meinen Verwünschungen geholt. Der Besitzer des Nachbarhotels bietet mir für 600Rs eine fensterlose Zelle mit müffelndem Gemeinschaftsbad an. Anderswo ein Wucher, kann ich mein Glück hier kaum fassen. Zur Feier des Tages und da ich die letzte Woche sowieso sehr günstig weggekommen bin, besuche ich heute mal ein hochklassiges Restaurant. Ich hatte schon länger Lust auf Pizza. Für die muss man allerdings bereit sein etwas Geld auszugeben, sonst erhält man eine aufgeblasene amerikanische Teigbombe mit Curry-Dressing und obskurem Käsebelag. Die 6€ haben sich (als eine der wenigen Ausgaben heute) jedenfalls gerechnet.

Höhenluft

183. 6.4.2014

Ich bin erkältet! Das war abzusehen und doch verblüfft es mich. Ich hätte auch nie erwartet, in Indien nachts zu frieren.
Das Frühstück ist sättigend und durchschnittlich (nicht, dass ich mich bei diesem Preis beschweren wollte), harmoniert also hervorragend mit meinem vorübergehend abhanden gekommenem Geschmackssinn. Außer Shimla anzuschauen und ein Zugticket zu kaufen habe ich mir für heute nichts vorgenommen. Beides dauert nicht sonderlich lange. Das Ticket ist für die Schmalspurbahn, die die Engländer nach Shimla gebaut haben, um ihr gesamtes Inventar aus Delhi überhaupt hochtransportieren zu können. Ohne Fachwissen würde ich wagen zu behaupten, dass es eine bautechnische Meisterleistung ist. Für den Güterverkehr gibt es heute Straßenanbindungen, aber es fahren weiterhin  Personenzüge auf den knapp 80cm breiten Schienen.
Der Ort hat außer Kolonialarchitektur wenig zu bieten. Der Reiz liegt eher darin, dass man lange Spaziergänge unternehmen kann, ohne danach duschen zu müssen. Das Klima und die Landschaft sind in etwa deutsches Mittelgebirge im Frühjahr. Neben erholungssuchenden Indern gefällt dieses Klima vor allem Affen, die hier an jeder Straßenecke lungern und sich teils ziemlich unverschämt oder aggressiv aufführen. Da aber ein Affe in der hinduistischen Mythologie für Rama (=Vishnu) eine Brücke nach Sri Lanka gebaut hat, damit dieser seine Frau Sita von dort befreien konnte, werden die Tiere verehrt. Nachdem ich die Hälfte des Tages durch die Gegend geschlendert bin, verbringe ich die zweite lesend auf der Terasse des YMCA mit einem Ausblick, für den sie einen Aufpreis verlangen sollten. Achja, durch meine Vegetarierphase habe ich vollkommen vergessen, DAS Fleischgericht Indiens zu probieren. Heute wurde es nachgeholt. Butter Chicken schmeckt vorzüglich, ist aber dem vegetarischen Pendant, Paneer Butter Masala, so ähnlich, dass man sich als Vegetarier keine Sorgen machen muss, etwas zu verpassen.

Sonntag, 6. April 2014

Kennenlernphase

180. 3.4.2014

Die Sicht aus meinem Fenster früh morgens ist wunderschön, die Temperatur ist es nicht - dass zwei große Glasfronten nicht isolierend wirken, hätte ich vorher bedenken sollen. Nicht wissen konnte ich dagegen, dass das Warmwasser ein tröpfelndes Rinnsal sein würde und diesen Morgen gar nicht funktioniert. Unter den hiesigen Umständen ein hinreichender Grund zur Suche einer neuen Unerkunft. Diese bietet nur ein geringfügig größeres Rinnsal, doch der Raum ist wärmer und der Besitzer, ein Exiltibeter, äußerst freundlich. Der verbleibende Tag dümpelt zwischen Essen, Lesen und Schreiben vor sich hin. Das Essen in Dharamsala ist phänomenal, da durch die tibetische Gemeinde authentische Himalaya-Gerichte verfügbar sind. Zum ersten Mal trinke ich den berühmten Butter-Tee (salziger, fetthaltiger Tee, der besonders wenn es kalt oder man ausgezehrt ist, viel besser schmeckt als es klingt) und probiere heute nach Momos und Tenthuk (nepalesisch) bhutanische Küche, genauer gesagt einen scharfen Eintopf mit Zwiebeln, Kartoffeln, Speckbohnen, Jalapeños und Tomaten in einer Käsesauce. Dazu gibt es Tingmo aus Tibet, das stark unseren Germknödeln ähnelt, nur dass es ungesüßt ist. Dass ich es nicht schaffen würde, tagelang nur zu entspannen (Gokarna muss eine Wahnsinnsaura gehabt haben, dass ich vier Tage nichts tun wollte), hätte mir eigentlich von Anfang an klar sein können. Im Tagesverlauf entdecke ich, dass Dharamsala der Startpunkt eines beliebten Treks ist, der über die weißen Giganten vor mir führt. Wäre doch gelacht, wenn man da mit GPS-fähigem Smartphone nicht mal reinschnuppern könnte...

Bustag

182. 5.4.2014

Busfahrtag mal wieder. Zwar sind es von Dharamsala nach Shimla nur 250km Straße, doch deren Zustand und die Topographie in den Ausläufern des Himalaya verlangen dem Bus einiges ab und benötigen über neun Stunden Fahrzeit. Da spielt es auch keine Rolle mehr, ob ich den Nachtbus nehme und den Folgetag gerädert und übermüdet im Bett verbringe oder gleich tagsüber fahre und zumindest die Landschaft genießen kann. Denn das kann man fraglos. Ansonsten ist die Fahrt überraschungsfrei, in Shimla muss ich erst von Bus zu Bus, dann von Bus zu Aufzug wechseln, um schließlich zu meinem angestrebten Hostel zu kommen. Richtig, Aufzug. Weil der Ort erstens so steil und verwinkelt ist und zweitens eine ernstgemeinte Fußgängerzone beinhaltet (normalerweise bedeutet Fußgängerzone, dass Passanten und alles Motorisierte, dass durch die Polizeiabsperrungen passt, auf einer schmalen Straße um die Vorherrschaft kämpfen), kommt man ins Zentrum nur zu Fuß oder per Lift. Nach zehn Stunden Fahrt wenig experimentierfreudig wähle ich diesen eindeutigen Weg nach oben und werde direkt auf der Mall ausgespuckt. Früher die Prachtstraße für die englische Herrscherschicht, deren Sommerresidenz Shimla war (kein Europäer kann in Delhi im Sommer ohne AC arbeiten und ehrlich gesagt bezweifle ich es auch bei Indern), heute die Einkaufsstraße der indischen Mittel- und Oberschicht, deren Sommerausflugsziel Shimla ist. Tatsächlich sehe ich kein weißes Gesicht, diese Stadt ist eindeutig auf die einheimische Klientel eingerichtet. Entsprechend schwierig sei es laut Reiseführer, eine günstige Unterkunft zu ergattern, da Inder, wenn sie denn verreisen, dies für kurze Zeit, dafür aber umso luxuriöser zu tun pflegen. Aber nichts da, bei YMCA, die es auch hier gibt, kriege ich ein Zimmer inklusive Frühstück für 400Rs. Wahrscheinlich habe ich Glück, dass durch die zu niedrigen Temperaturen die Hauptsaison noch nicht begonnen hat (normalerweise Anfang April). Das macht Hoffnung für das fast schon auf Mumbaiverhältnissen über dem Marktgleichgewicht schwebende Chandigargh, meinem nächsten Ziel.

Schnuppertrekking

181. 4.4.2014

Die "Wanderung" beginnt nach kurzem Frühstück auf einem Schotterweg nach Bhagsu, einem etwas höher gelegenen Dorf. Hier gibt es eine Quelle, einen Tempel und - ein Freibad. Darin  bzw. fast drei todesmutige Inder in Schwimmbekleidung. Weiter geht es auf einem grob gepflasterten Weg in ein sich verengendes Tal bis zu einem Wasserfall, der entweder heilig oder einfach eine Sehenswürdigkeit ist. Im Zweifel beides. Hier muss ich mehrmals nachfragen, bis ich den richtigen Pfad den Berghang hinauf finde. Sehr schnell ist nichts mehr außer das Rauschen des Wasserfalls aus dem Tal zu hören. Das Terrain wird anspruchsvoller, durch viele Kehren und hohe Stufen gewinnt man schnell an Höhe. Kurz vor dem Bergkamm desillusioniert mich eine entgegenkommende Gruppe mit der Auskunft, von hier seien es noch vier Stunden bis zur Spitze des Triund Hill, meinem Tagesziel. Doch ich habe mir von Anfang an vorgenommen, bis zur Spitze oder zwei Uhr nachmittags bergauf zu wandern und dann umzukehren. Außerdem ist die Landschaft trotz (oder wegen?) des miesen Wetters imposant genug, um zu motivieren. Das i-Tüpfelchen sind dabei die kleinen Schreine und Tempel entlang des Weges, die an exponierten Stellen des Bergrückens stehen als wären sie natürlicher Bestandteil der Landschaft und schon immer dagewesen. Ich fühle mich, als wäre ich in Skyrim gelandet (allen, die das nicht verstehen, kann Google helfen). Zumindest ist dies der erste Ort, dem ich persönlich eine meditative Ausstrahlung zugestehen muss. Keine Angst, ich habe mich nicht hingesetzt und Energielinien nachgespürt, sondern bin weitergegangen und habe innerhalb von zwei Stunden den Gipfel erreicht. Das hat vermutlich weniger mit meiner guten als vielmehr mit der für gewöhnlich schlechten Konstitution von Indern zu tun. Wer es sich leisten kann, hat für jede Anstrengung und jeden Handgriff im Alltag einen Bediensteten. Und wer einen Urlaub im Himalaya bezahlen kann, hat sicherlich einige Hausangestellte. Sport aus Spaß oder um fit zu bleiben ist noch sehr neuartig.
Leider regnet es auf dem Triund Hill, was bei den Temperaturen und dem Wind ohne große Umwege zu Frieren und Unterkühlung führt. Glücklicherweise haben einige geschäftstüchtige Einheimische hier oben kleine Teehütten errichtet. Gemeinsam mit einem Japaner und seinem indischen Guide trinke ich einen Chai und bewundere die rauhe, wunderschöne Landschaft um uns. Hinter uns das sonnenbeschienene Tal, um uns Schneematsch, zackige Hügel und Nadelwald, vor uns, zum Greifen nah, die mächtige, grellweiße 5000er Kette, die Gipfel von Wolken verhangen. Von den beiden erfahre ich, dass ich bergauf einen kaum bekannten Umweg gelaufen bin, während der Hauptweg bis auf den letzten Kilometer breit ausgebaut und mit Stufen versehen ist. Der Abstieg wird also leichter, als er es sowieso schon ist. Was der Weg an Komfort bietet, fehlt ihm allerdings an Charme. Keine Tempel, keine Einsamkeit, kein beißender Wind auf einem Bergrücken. Dafür eine Vierergruppe Collegestudenten aus Dharamsala, von denen einer heute Geburtstag hat. Ich bin bereits wieder im warmen, sonnigen Talabschnitt, als die vier mich auf dem Boden picknickend auf einen Whiskey einladen. Ich stelle mich auf die übliche Fragerei und Bitten um Fotos ein und werde positiv überrascht. Klar sind sie neugierig, aber auf eine angenehmere Art und Weise. Außerdem ist ihr Englisch gut genug, um sich vernünftig unterhalten zu können. Aus einem Whiskey werden drei oder vier, während wir über Modi, Kejrival, die kommenden Wahlen, Indiens geopolitische Lage ("Fuck China!") und das deutsch-indische Verhältnis palavern. Irgendwann wollen die Jungs dann doch weiter, speziell mein Hinweis, weiter oben gäbe es Schnee macht sie neugierig. Ich nehme beschwipst-vergnügt die letzten, einfachen 3km in Angriff und komme über zwei Stunden vor Sonnenuntergang in Dharamsala an.

Donnerstag, 3. April 2014

Der Goldene Tempel

178. 1.4.2014

Nicht so schön, alleine zu sein. Vor allem, wenn man im Dunklen durch eine neue Stadt laufen muss. Also lasse ich mir Zeit, trinke einen Tee und esse ein paar Cookies am Bahnhof, bevor ich mich auf den Weg durch Amritsar zum Goldenen Tempel aufmache. Der Reiseführer hat Recht: Die Stadt ist nicht schön. Zumindest, bis man in die Nähe des Tempels kommt. Die Atmosphäre ändert sich spürbar, von den umgebenden Gebäuden ganz zu schweigen. Fast alles ist weiß, sauber und imposant groß. Inmitten eines klaren(!) Sees steht der goldene Tempel. Er ist wirklich golden, nur hatte ich ihn mir immer viel größer vorgestellt. Egal, auch so übt er eine stärkere Ausstrahlung als beispielsweise das Taj Mahal aus. Unterkunft findet sich heute, Premiere, in einem Schlafsaal. Der kostet gar nichts, weil er von der Tempelverwaltung für Ausländer zur Verfügung gestellt wird. Jede Überlegung, doch ein eigenes Zimmer zu nehmen, wird von dem Australier, der hier alle Neuankömmlinge empfängt, im Ansatz zerstreut. Liebevoll fährt er mir über den Mund und hat mir alles erklärt sowie ein Bett zugewiesen, bevor ich Bedenken äußern kann. Direkt im Anschluss führt er durch das Tempelgelände, das komplett frei zugänglich ist. Dazu gehört auch die größte "Kantine" der Welt. 50 000 - 100 000 Pilger und Besucher versorgt die Tempelspeisung tagtäglich und umsonst. In der Küche sind Fließbänder für Chapatis und Töpfe mit mehreren Metern Durchmesser, in denen Chai, Dal und Paneer köcheln. Jeder der will kann mithelfen, nur die wenigsten in der Küche sind angestellt. Nach der Theorielektion gehen wir dort frühstücken. In zwei Hallen werden im Viertelstundentakt tausende Menschen versorgt und das mit erstaunlich wenig Gerangel und Hektik. Es gibt Chapati, Reis, scharfes Dal und ein Curry mit Paneer-Ansätzen. Danach nimmt die Müdigkeit überhand und ich schlafe doch noch zwei Stunden. Am Nachmittag fahre ich, zusammen mit zwei Amerikanern, einer Engländerin, einer Brasilianerin, einer Portugiesin und einer Slowenin zur indisch-pakistanischen Grenze, wo zu jedem Sonnenuntergang die Tore in einem Ritual geschlossen werden. Auf beiden Seiten gibt es Zuschauertribünen für das Spektakel, dieser Punkt geht allerdings an Pakistan mit seiner amphitheaterartigen Empore. Dafür haben wir die eindeutig höhere Zuschauerzahl. Der Platz reicht wie immer nur unter größtem Gedränge aus. Als Ausländer dürfen wir uns immerhin auf eine seperate Tribüne quetschen. Zuerst einmal scheinen die zwei Atommächte ihre Soundanlagen vergleichen. Aus den Boxen scheppern Bollywoodschlager, während Kinder mit Indienflaggen umherrennen. Danach dürfen alle Frauen nochmal auf die Straße und tanzen (ich gehe davon aus, dass man dem streng islamischem Pakistan zeigen will, was liberal bedeutet - dort sitzen die Frauen zumeist vollverschleiert auf einer eigenen Tribüne) und schließlich geht es los. Unter viel Gejohle und Schreien stolzieren die Soldaten beider Seiten nach einem perfekt umgesetzten Plan fast symmetrisch auf der Grenzstraße umher. Dabei wird unter anderem um den lautesten sowie den längsten Schrei gefochten, den höchsten Stechschritt und das abgehakteste Gehopse. Höhepunkt ist das Abhängen der Fahnen, wobei keine zu keinem Zeitpunkt unter der anderen hängen darf, das wäre ein eindeutiges Zeichen von Schwäche. Wir sind uns einig: Solange es nicht das eigene Land ist, ziemlich witzig. Unser Rückweg führt uns vorbei an einem Hindu Tempel, der eher einem Abenteuerspielplatz gleicht. Ein Rundweg führt durch hüfthohe Höhlen und Spiegelkammern voll mit Götterdarstellungen. Da bin ich froh, kurz darauf wieder beim goldenen Tempel zu sein, der in der Dunkelheit noch unglaublicher aussieht. Als würde er schwimmen. Mir fällt keine Sehenswürdigkeit in Indien ein, die mich so sehr beeindruckt hat. Dazu trägt sicher bei, dass im Tempel keine touristische Ausverkaufsstimmung, sondern nach wie vor eine religiöse Atmosphäre herrscht. Ich freue mich schon auf den Sonnenaufgang...

Anderes Format

179. 2.4.2014

Der Sonnenaufgang wäre sicherlich fantastisch gewesen, hätte man ihn sehen können. Doch der Himmel ist wolkenverhangen und um halb acht beginnt es sogar zu regnen. Das ist, als würde es in Deutschland im Mai schneien. Das Wetter ist ziemlich verrückt dieses Jahr, die Temperaruren sind viel zu niedrig (lächerliche 32ºC in Delhi, wo 40 normal wären) und es regnet sogar in den Monsungebieten, wo sich sonst vor Juni kaum ein Tropfen blicken lässt. Mir sind vielleicht 20 Grad und Nieselregen dagegen eine willkommene Abwechslung und irgendwie das richtige Wetter, um ins höchste Gebirge der Welt zu fahren. Bis dahin führt die Straße aber erst eimmal vier Stunden bzw. 120km durch grüne Ebene. Francis, der Australier, hat mir eine kurze Geographiestunde über den Punjab gegeben. Demnach wird er von fünf Flüssen durchzogen und ist folglich sehr fruchtbar, kein Vergleich zum südlich anschließenden, wüstenartigen Rajasthan. Gegen Mittag kommen die ersten Hügel in Sicht, die dann erstaunlich schnell zu Bergen werden. Und was für welchen! Durch die Wolken lassen sich die höchsten Gipfel nicht erkennen, aber einige 5000er sind sicherlich dabei, was umso eindrucksvoller ist, da wir uns erst knapp über 1000m befinden. Die letzten zwei Busfahrten werden richtig abenteuerlich, aus dem Tal heraus schlängelt sich ein Sträßchen nach Dharamsala, das zeigt, was mit Bussen möglich ist. Der Zielort ist der Exilsitz des Dalai Lama, wenn er denn mal zu Hause ist, sowie Liebling von Aussteigern und Erleuchtungssuchenden. Dementsprechend präsentiert er sich mit der üblichen Mischung aus günstigen Guesthouses, Restaurants, "Reiseburös" und Läden für jeden Bedarf. Aber mit der Kulisse sieht alles gut aus. Für ein paar Tage lesen und ausruhen scheint er das Richtige, zumindest, wenn ich mich warmhalten kann. Die Temperaturen kratzen nachts am einstelligen Bereich und Heizungen sind rarer Luxus.

Mittwoch, 2. April 2014

Erneut auf eigenen Füßen

177. 31.3.2014

Am Connought Place in einem hässlichen, alten Gebäude entdecke ich ein Indian Coffee House. Die gibt es überall in Indien, sie stehen für südindisches Essen (Dosa, Idli), Kaffee und niedrige Preise. Ein bisschen fehlt mir das schon, hier gibt es zum Frühstück Chai, Sandwiches und Omelette.
Die Tagesplanung, anfangs recht umfangreich, marginalisiert sich, als ich erfahre, dass fast alle Tempel Montags geschlossen sind. Ich erinnere mich, noch Kleidung zu benötigen und fahre für neue Jeans und Socken zu einer Mall. Die entpuppt sich als recht kümmerlich, aber für meine unkonkreten Vorstellungen reicht es allemal. Danach läuft alles nach Plan: Zurückfahren, Essen, Gepäck holen und zum Bahnhof gehen. Von dort fahre ich nicht ab (wäre ja zu leicht), sondern mit einer Riksha zu einer 9km entfernten Station. Begleitet werde ich von Olga aus Russland, die ich am Bahnhofseingang vor den Ticketbetrügern gerettet habe. Sie verbringt nicht nur ihren ersten Tag in Delhi, sondern generell in Indien und hat sich für heute ein Ziel gesetzt: Überleben. Um etwas zu tun zu haben, begleitet sie mich in der Riksha und trinkt noch einen Tee mit mir. Um 19 Uhr fährt mein Zug schließlich, kurzfristig konnte ich noch ein Ticket für einen Nachtzug ergattern. Die indische Familie um mich herum nimmt mich herzlich auf. Schön, mal wieder alleine zu sein (Wer hätte gedacht, dass ich das mal sagen würde).

Erholungsphase

175. 29.3.2014

Beim Aufwachen fühle ich mich zwar noch nicht allzu fit, aber das Fieberthermometer kommt auf nur 37,6 Grad, das Schlimmste scheint also überstanden zu sein. Auch der Hunger kommt wieder, allerdings nicht auf indisches Essen. So besteht mein Frühstück aus einer Tomatensuppe und einem Glas Milch. Delhis Mittagshitze möchte ich noch nicht riskieren und verbleibe ein weiteres Mal im Hotelzimmer, zumindest bis zum späten Nachmittag. Dann überwältigt mich der Hunger. Zum Glück gibt es einen Subway in der Nähe. Wenn man krank ist/war, wird man nahrungstechnisch ganz schnell konservativ und hält sich an lange Erprobtes. Gefühlt in mittlerweile fast gesundem Zustand treffe ich Eva und Katha am Khan Market, in dessen Nähe sich ein Kulturzentrum befindet, das heute einen Theatermonolog aufführt. Unsere Meinungen über das nur 50-minütige Stück decken von ausgezeichnet (Katha) über gut (Eva) bis mittelmäßig (ich) alles ab. Meiner Meinung nach macht die Vortragsweise der Schauspielerin (die aber vermutlich geskripted ist) eine Annäherung an das Geschehen extrem schwierig (ich bin mir nicht einmal sicher, ob der Tod, den der Monolog behandelt, der ihres Bruders oder eines engen Vertrauten war).
Auf dem Heimweg machen wir wieder einmal Bekanntschaft mit Delhis schlechtester Seite, den ständigen Betrugsversuchen. Es sind Kleinbeträge, die an einer Kasse unterschlagen werden, Menschen, die Zutrittsberechtigungen für Orte verkaufen, wo man gar keine benötigt oder die Verzehnfachung des Kaufpreises, wenn er nicht ausgeschrieben ist. Wer hier aus Deutschland ankommt, wird davon gar nicht so viel mitbekommen, doch je länger man sich in Indien aufhält, desto mehr bekommt man ein Gespür für angemessene Preise (logischerweise). Um in Delhi nicht ausgenommen zu werden, sollte man immer die gedruckte Rechnung verlangen, auf ausgeschriebene Preise unter jedem Umstand bestehen, für alles andere den Preis wissen (die Forderungen sind so absurd hoch, dass man sich kaum traut, den fairen Preis zu nennen) und sich im Zweifelsfall an die nächsten Inder halten. Die haben im Übrigen dieselbe schlechte Meinung über ihre Hauptstadt.
Gegen elf verabschiede ich Eva und Katha an der Metrostation, von wo sie zum Busbahnhof und nach Jaipur fahren, sie haben Rajasthan nämlich noch vor sich. Währenddessen werde ich mich ein wenig im äußersten Nordwesten umsehen (ohne Jammu und Kaschmir), bevor wir uns am 11. April in Rishikesh wiedersehen.

Zu Fuß

176. 30.3.2014

Der Handy-GAU ist eingetreten, ich habe kein Internetguthaben mehr. Internet vereinfacht das Reisen viel zu sehr, als dass ich darauf verzichten würde. So schlage ich mich vormittags durch den indischen Förderalismus (SIM Karte aus Goa), schaffe es aber letztendlich, 2GB aufzuladen und kann guten Mutes meine ständig nach hinten verschobene Stadttour durchführen. Da ich weder Architekt noch Kunsthistoriker bin, schaue ich mir seit Rajasthan kaum noch Forts, Mausoleen oder Denkmäler von Innen an, das ist meistens rausgeschmissenes Geld. Stattdessen orientiere ich mich an bedeutenden Bauten und laufe dabei einfach durch die verschiedenen Viertel, die besonders hier verschiedener kaum sein könnten. Zuerst Old Delhi mit dem Roten Fort und der Jamia Masjid, Indiens größter Moschee. Dazwischen Gassen, Menschen, Lärm, Leben. Das geschwungene, moderne Eingangstor zur U-Bahn wirkt da schon deplatziert. Und beim Aussteigen fühle ich mich auch, als hätte ich gerade durch ein Portal das Level gewechselt. Baumbestandne, mehrspurige Aleen flankiert von Kolonialhäusern, neuen Appartmentblocks und Unmengen Grün. Spätestens als mir im riesigen Park um das Gate of India zum ersten Mal seit Ewigkeiten der Geruch von Gras in die Nase steigt, weiß ich, was mir besser gefällt. Die hektischen, lauten, stinkenden Altstädte sind zum Eindrücke sammeln wunderbar, aber auch die Leute, die dort arbeiten oder leben, träumen von einem Appartment in einem begrünten, ruhigen Vorort.
Hier zahle ich sogar mal Eintritt, um eine Moschee zu sehen. Sie ist weder groß noch berühmt, besteht aber aus eine Kombination aus Marmor und rotem Sandstein, was fantastisch aussieht und mir bis jetzt auch nicht bekannt war.
Mein Spaziergang, der sich zur Wanderung entwickelt hat, führt weiter über die Metro bis in den Süden Delhis, wo ich den Lotustempel gerade rechtzeitig zum Sonnenuntergang erreiche. So komme ich zwar nicht mehr hinein, kann aber immerhin tolle Fotos schießen. Hier endet die selbstgeplante Tour, nicht zuletzt weil die Laufstrecke von 10-15km langsam in die Beine geht. Zum Glück habe ich mir heute eine Smartcard zugelegt und kann so die Warteschlange am Metroschalter umgehen. Da die Metro nur ein paar Jahre alt ist, gibt es Anstatt von Tickets Chips oder Cards, die an den Ein- und Ausgangsschaltern elektronisch ausgelesen werden. Die Chips müssen hierbei für jede Fahrt neu gekauft werden, während die Karten mit Guthaben aufgeladen werden, von dem entsprechend der Ein- und Ausstiegsstation abgebucht wird. Dafür braucht man sie nicht einmal aus dem Geldbeutel zu holen. Trotzdem stehen locker 60% der Inder (Weiße sieht man kaum) Fahrt für Fahrt minutenlang für ihren Einmalchip und danach nochmal zur Sicherheitskontrolle an. Vielleicht ist es die Vorfreude aufs an die Reihe kommen.