51. 20.11.2013
Zuerst greife ich Katha die wohlverdiente heiße Dusche ab (sie geht bei ihr nicht mehr), dann frühstücken wir viele Mandazis, wegen Fett und Kohlenhydraten und Geschmack und Preis und fahren um halb acht per Motorbike zur Agency, wo uns unser Guide vorgestellt, Equipment ausgeliehen und umgepackt wird. Weitere 15km mit dem Motorbike (das beste Fortbewegungsmittel in Kenia: spottbillig, überall verfügbar und flexibler als Autos. Und spaßiger auch noch.) und wir sind am Gate. Von dort sind es 10km bzw. 600hm bis zur ersten Hütte, der Meterological Station auf 3050m. Klingt mäßig anstrengend, aber Höhe, Strecke und Gepäckmenge bringen einen doch zum Schwitzen. Angekommen suchen wir Taktiken den hier ungewohnten Temperaturen von 10 Grad zu trotzen und liegen, der Höhe geschuldet, die meiste Zeit dösig in der Gegend herum (meistens in den warmen Schlafsäcken). Morgen dann 12km und 1200hm plus Übernachtung bei 2-5ºC.
52. 21.11.2013
Das Aufstehen ist die Hölle, zur Müdigkeit (es ist 6:30 Uhr) kommt die Temperaturdifferenz 30 Grad im Schlafsack vs. 5 Grad außenrum. Das Wetter ist dafür phänomenal. Die ersten 500hm bzw. 4km gehen durch Bambusregenwald, der dem Nadelwald folgt, der der normalen hiesigen Vegetation folgt, wo alles kreuz und quer und in allen Variationen wächst (gefühlt). Nach dem Bambuswald, auf ca. 3300m, kommen wir in gras- und buschüberwuchertes Sumpfland, durch das ein 7km langer, unverschämt steiler Pfad führt. Katha, die noch nie auf dieser Höhe unterwegs war, hat mit der Luft zu kämpfen, sowie Kopfschmerzen. Die letzten fünf Kilometer sind dagegen fast harmlos, bei einer Steigung von vielleicht 5% laufen wir 250hm ein Tal bis auf 4300m hoch, wobei sich Vegetation und glücklicherweise auch Untergrund verändern. Statt schlammiger Erde dominieren hier Felsböden und Sumpfgräser werden durch irgendwelche riesigen Maiskolben und palmenartige Bäumchen (botanisch habe ich es nicht so drauf) abgelöst. Nach acht Stunden, Schnitt 1,5km/h kommen wir am Mackinders Camp an, begrüßt von fetten Klippschiefern, die sich in der nahrungstechnisch günstigen Lage neben der Hütte angesiedelt haben. Ursprünglicher Plan war, am nächsten Tag die brutale, aber kurze Etappe zur Austrian Hut auf 4800m mit Rucksack zurückzulegen, dort zu übernachten und am nächsten Morgen die letzte Stunde zum Point Lenana vor Sonnenaufgang zu schaffen. Aber Akklimatisierungsprobleme und die Wetterbedingungen sprechen dagegen. Also wie in den Bergsteigerdokus Aufstieg über 700hm mitten in der Nacht vom Mackinders Camp aus. Da wir um zwei Uhr aufstehen, legen wir uns nach kurzem Akklimatisierungsspaziergang hoch bis auf 4500m bereits um acht schlafen.
53. 22.11.2013
Von den verfügbaren sieben Stunden Schlaf nutze ich effektiv zwei. Ich habe zwar keine Probleme mit der Höhe, aber irgendwie sieht mein Körper nicht ein, dass es sinnvoller wäre, nochmal zu ruhen und beschäftigt mich über Stunden mit Ohrwürmern und irrelevanten Fragen. Da bin ich eigentlich froh, als der Wecker dem um 1:50 Uhr ein Ende setzt. Katha geht es nicht so toll (Kopf-, Augen-, Halsschmerzen, Kälte und nach dem Essen gesellt sich Übelkeit dazu), was ihr ohne weiteres anzumerken ist. Trotzdem kommt sie um drei mit mir und unserem Guide mit. Der Aufstieg ist noch heftiger als der vom Vortag, über 300hm auf einem (end)losen Geröllfeld, das so steil ist, dass man sich seinen eigenen Zick-Zack Pfad austreten muss. Dazu kommt die Kälte (-5ºC) und sobald man auf einem Grat ankommt der weitaus schlimmere Wind. Meine angeblich auf -20 Grad ausgelegten Handschuhe von North Face sind an der Grenze ihrer Belastbarkeit, von Katha, deren Wohlfühltemperaturspektrum gegenüber meinem ca. um +10 verschoben ist, ganz zu schweigen. Der letzte Kilometer von der Austrian Hut an besteht aus vielen kurzen Kletterpassagen, die bei den Temperaturen und der Luft auf 4900m zur Feuerprobe werden. Noch zweihundert Meter vor dem Gipfel zweifle ich daran, dass wir ihn gemeinsam erreichen und der Sauerstoffmangel macht sich nun auch bei mir durch Müdigkeit und Schwindel bemerkbar. Trotz alledem: Wir kommen hoch, der Blick ist atemberaubend, aber kein Vergleich zu dem Gefühl, es geschafft zu haben. Ich versuche gar nicht erst, das zu beschreiben, versucht euch statt dessen einfach mal an einem 5000er. Nagut, 4985m, um genau zu sein. Nach einer halben Stunde Gipfelglück geht es auf demselben Weg zurück zum Mackinders Camp, wo auch unsere Rucksäcke stehen (bis auf meinen, der mit Trinkflaschen gefüllt abwechselnd von mir und dem Guide zur Austrian Hut und zurück geschleppt wurde). Diesmal aber im Tageslicht. Sogar während der Nacht konnte man ohne Lampe laufen, weil der Dreiviertelmond hier senkrecht über einem steht. Aber erst im Tageslicht kann man die außergwöhnliche Landschaft aus grauen Steinen, brauner Erde, azurblauen, klaren Seen, weißglitzernden Gletschern und ein paar Farbtupfern einiger weniger pflanzlicher Überlebensspezialisten wahrnehmen.
Sobald wir abwärts laufen, scheint alles leichter: Wir sind dreimal so schnell und die Luft macht keine Probleme mehr. Nach ca. 1,5 Stunden sind wir zurück am Ausgangspunkt und zumindest ich belohne mich mit einem ausgiebigen Früstück. Zwei Stunden später entschließt sich Katha an ihre Grenzen und die 13km zur Meterogical Station hinunter zu gehen, was auf den Tag hochgerechnet 26km / 700hm bergauf / 2000hm bergab bedeutet. Wegen des Geländes und der Luft sind das über zehn Stunden reine Gehzeit! 15 Stunden nach dem Aufbruch, um sechs Uhr abends, kommen wir mit zitternden Beinen an, essen schnell was und sind auch schon im Schlafsack verschwunden.
54. 23.11.2013
Ausschlafen nach den gestrigen Strapazen ist nicht, in der Bambuswaldzone beginnen die Niederschläge während der Regenzeit meist um 10 Uhr und wir brauchen etwa drei Stunden für die letzten 10km / 600hm bergab. Also Aufstehen um sechs. Wegen meines langen Frühstücks kommen wir trotzdem erst um halb acht los und weil Katha am Ende ist, so richtig, aber noch stolz genug, mir nicht ihren Rucksack zu überlassen, erreichen wir das Gate um viertel zwölf. Von da an geht es schnell: Zurück nach Naru Moru per Motorbike, Hotel aufsuchen, das erste Mal seit drei Tagen duschen, schlafen (Katha), die letzten Tage verarbeiten (fotografisch und mental - Linus).
Jetzt ist es vier, ich wundere mich selbst, warum ich nicht todmüde bin, aber in ein paar Stunden werde ich sicherlich auch schlafen. Ich schätze, die Aussage wird Katha so nicht unterschreiben, aber mir war es den Eintritt, die Anstrengung und das Fehlen jeglichen Komforts wert. Und im Gegensatz zu den meisten Touristenschwächlingen, die mit 4kg Daypack aufsteigen und den Rest von Portern übernehmen lassen, haben wir es wirklich selbstständig hoch geschafft.